Wir schreiben den Abend des 20.12.2018. Eigentlich wollte ich seit Mittwochnachmittag pünktlich zu den Ferien mit den Kindern in den Weihnachtsferien sein. Aber wie das Leben halt so ist, man macht Pläne und es kichert einmal. Dabei kann ich verstehen, dass es die fiese Klette (ausgewachsenes Monster-Dreadlock), die sich meine große Tochter zulegte, verschweigte und welche schließlich zu einem Notfall-Friseurbesuch (kein Witz) führte, zum Kichern findet. Weniger verstehen kann ich, dass es wohl auch noch lustig fand, meinen Papa kurz vor Weihnachten mit unschönen Symptomen ins Krankenhaus zu schicken. (Er ist wieder „okay“). Wobei darüber kichert das Leben vermutlich gar nicht. Es denkt gar nicht darüber nach. Denn Leben, Krankheit, Tod. All das gehört zusammen. Nur wir, wir hetzen (zu oft) durch das Leben.
Höher, schneller, weiter. Kaufen Sie kein Weed man, kaufen Sie Jamaica!*
Bis (zu) wenig davon übrig ist. Jedenfalls sieht es oft so aus, wenn ich mich umsehe. Alles stöhnt unter dem Stress, den Ansprüchen, der unerledigten Arbeit, den Kindern (bzw. der Arbeit, die diese nun einmal verursachen, egal wie toll sie sind) und den vielen Terminen. Und dann noch die politische Lage, die sowohl in nationaler wie internationaler Hinsicht Kopfschmerzen verursacht. Und alles wird über alle digitalen Kanäle im Sekundentakt präsentiert, bewertet, verurteilt.
Und nun steht Weihnachten vor der Tür. Die Zeit der Ruhe. Der Besinnlichkeit. Wie wäre es denn einfach mal, wenn wir darüber nicht gequält lächeln würden und nicht an die Kilometer auf der Autobahn, die Verwandten, die man vielleicht nicht sehen wollte, die Arbeit die gemacht werden sollte, denken würden. Sondern wenn wir es einfach mal mit dem Freuen und der Ruhe versuchen würden. Etwa mit dem Freuen auf den einen Verwandten oder Freund, den man ewig nicht gesehen hat. Das Essen. Oder mit dem Freuen auf das Nichtstun. Einfach Nichtstun. Niemand muss auf irgendeine Autobahn, z.B. wenn da kein einziger Mensch am anderen Ende ist, den man gerne sehen wollte. Dann kann man auch einfach zu Hause bleiben. Zu Freunden gehen. Zur Oma ein Stockwerk höher, die vielleicht niemanden mehr hat und mit der man sowieso immer nett Klönschnack hält. Was auch immer. Aber man muss ja gar nicht so viel. Man glaubt nur immer wahnsinnig viel zu müssen.
Ich gestehe, ich bin nicht so richtig gut im Nichtstun. Und ich gehöre auch den Menschen, die immer glauben, sie müssten doch noch dies, jenes oder welches erledigen, sich vornehmen.
Insbesondere, aber nicht ausschließlich, über Weihnachten werde ich mich deswegen bemühen, dieses oder jenes eben nicht (mehr) zu erledigen. Nicht auf Aufgaben, sondern auf die vielen tausend Glitzermomente zu schauen.
Mein Blick auf dieses Weihnachten mag auch ganz besonders meinem Jahr 2018 geschuldet zu sein. Ein tolles und extrem erfolgreiches Jahr. Mit vielen grandiosen Momenten und Menschen. Und doch war es eben ein wahnsinnig arbeitsintensives Jahr. Darüber hinaus ein Jahr, das mir persönlich und über mein engstes Umfeld deutlich aufzeigte, dass Gesundheit eben doch nicht beliebig vorhanden ist und manchmal schneller weg sein kann, als jemand „Gesundheit!“ ruft.
Ich glaube aber fest daran, dass es uns allen gut tut, wenn wir uns über Weihnachten und die „Tage dazwischen“, bevor das Neue anbricht, ein wenig Zeit zu nehmen. Für was auch immer. Sich. Familie. Freunde. Den Hinz & Kunzt Stammverkäufer. Dem alten Mann im Haus gegenüber, den man immer durch das Fenster am Küchentisch sitzen sieht.
Wie auch immer, ich hoffe, Sie finden in den nächsten Tagen den
Geist der Weihnacht, die „Zeit der frohen Herzen, wo man einander gern hat und es auch dem anderen sagt“.
In diesem Sinne,
haben Sie eine frohe Weihnachtszeit!
Ach, bevor ich es vergesse: Natürlich gibt es auch dieses Jahr von der Anwaltskanzlei Diercks keine Weihnachtskarten, keine Präsente. Statt dessen gibt es diese Weihnachtsgeschichte und meine jährliche Spende an die Stiftung Mittagskinder, in dessen Freundeskreis ich letztes Jahr eingetreten bin (mehr dazu aus meiner Feder: hier). Daneben habe ich in diesem Jahr auch endlich ein mir selbst vor Jahren selbst gegebenes Versprechen eingelöst: Egal wie wenig Geld ich hatte, ich kaufte seit ich in Hamburg das Studieren begann, die Zeitung Hinz & Kunzt. Und ich schwor mir, wenn ich „groß“ bin und mehr leisten kann, dann werde ich nicht nur die Zeitung kaufen, sondern dem Freundeskreis von Hinz und Kunzt beitreten. Letztes Jahr habe ich das endlich getan. (Das können Sie auch!)
* Ja, das passte auch letztes Jahr schon gut.
** Ja, das Baumbild könnte Ihnen auch bekannt vorkommen. Hier steht einfach noch kein Neuer! 😉
Liebe Nina,
danke, dass Du Hinz und Kunzt unterstützt. Als Stuttgarter war das tatsächlich mein erster Kontakt mit einer Strassenzeitung – den Trottwar hab ich erst danach kennengelernt… und immer noch kaufe ich, wenn ich in HH bin und mir ein Verkäufer (m/w/d) über den Weg läuft, ein neues Exemplar… neben Trottwar und dem Strassenfeger meine Lieblings-Obdachlosenmagazin. Ja. Kaufe überall alle, weil ich neugierig bin. Und die Idee dahinter einfach toll finde.
Daher: Hut ab!