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Die Verträge (in) der Medien- und IT-Branche – Teil 2: Vom agilen Projektvertrag, Software-Entwicklungsvertrag, SaaS-Vertrag, Internet-Systemvertrag und vielen mehr

Im ersten Teil haben wir uns mit den Grundlagen der Vertragsgestaltung befasst und verdeutlicht, warum der Abschluss „vernünftig“ ausgearbeiteter Verträge auch und gerade im IT- und Medienbereich – egal ob bei kleinen oder großen Projekten – sehr empfehlenswert ist. In diesem Teil stellen wir nun exemplarisch einige Vertragsformen vor, die durchs Medien- und IT-Universum geistern. Alle dieses Verträge regeln „moderne“ Sachverhalte. Trotzdem finden auch hier die guten (nun ja…) jedenfalls „alten“ Regelungen des BGB Anwendung. Und da es nun einmal keinen Software-as-a-Service-Entwicklungsvertrag im BGB gibt, müssen wir uns einmal ansehen, welche Regelungen des BGB hier einschlägig sein könnten bzw. als was und wie diese Verträge in der Praxis einsortiert werden und/oder ob sich nicht aus der Praxis „Verträge eigener Art“ entwickelt haben.

Ob das nicht unwichtig ist? – Nein, das können wir vorweg nehmen. Unwichtig ist es keinesfalls um was für einen Vertragstyp es sich handelt, denn es ergeben sich ganz unterschiedliche Rechte und Pflichten der Vertragsparteien, je nach dem welcher Vertragstyp vorliegt. Dazu haben wir schon eine Menge in Teil 1 geschrieben, aber hier zur Erinnerung noch ein einfaches Beispiel: Miete ich einen Server, muss ich diesen nach Ende der Mietzeit zurückgeben und für die vereinbarte Zeit die Miete zahlen. Kaufe ich den Server, zahle ich den Kaufpreis und kann mit dem Server machen was ich will. Miete und Kauf bieten gänzlich andere Voraussetzungen, Pflichten und Rechtsfolgen auf. Von daher sollte man

  1. wissen, ob es sich bei dem Projekt um ein Rechtsgeschäft handelt, dass einem der Vertragstypen des BGB entspricht – denn nur dann weiß ich, welche Rechte etwa bei Mängeln mir oder der Gegenseite zustehen und/oder ob ich mir nicht vertraglich günstigere Regelungen einräumen lassen möchte.
  2. erkennen können, ob es sich um ein Rechtsgeschäft handelt, bei dem sehr viele Vertragsarten eine Rolle spielen und schon deswegen geraten ist, sich näher mit einer Konkretisierung zu befassen, was eigentlich wer wem wie schuldet.

Doch fangen wir einmal ganz von vorne an. Nämlich dabei, wie so ein „Projekt“ tatsächlich oft beginnt.

Die ersten Schritte in einem (agilen) Projekt 

Die ersten Schritte in einem IT-, Software-Entwicklungs-, Medien- oder Agentur-Projekt, bei dem irgendwas mit Hilfe der Programmierkunst, magischem Design und/oder diesem Internet vollbracht werden soll (was genau, lassen wir hier erst einmal außen vor, weil es zunächst gleichgültig ist), sehen nur allzu oft aus wie folgt:

Voller Euphorie und Tatendrang wird sich in die Projektverwirklichung  gestürzt und alle sind sich im Meeting darüber einig: So und nicht anders muss es gemacht werden! Einen Vertrag gibt es zwar (noch) nicht, aber man kann ja schon einmal anfangen. Schließlich arbeiten wir doch agil! Da brauchen wir ohnehin keinen Vertrag, das geht ja gar nicht.

Weniger schön wird, wenn der Auftraggeber dann irgendwann merkt, dass die Kosten auch ganz agil sind, nämlich gen unendlich nach oben. Dazu kommt dann noch, dass sich Auftraggeber alles so ganz anders vorgestellt hat, als der Auftragnehmer – insbesondere, was Umsetzung und korrelierende Kosten und die Absprachen derselben betreffen. Und einen Vertrag oder sonst irgendwelche Konkretisierungen der zu erbringenden gibt es immer noch nicht… Tja. Von der Euphorie ist dann zumeist nicht mehr viel übrig. Das ist zu abstrakt? Nun, wie wäre es mit dem folgenden einfachen Beispiel:

Auftraggeber und Agentur haben sich auf die Erstellung einer Applikation geeinigt zum Preis von X geeinigt. Es geht los. Nach intensiver Arbeit freut sich das Team in der Agentur und präsentiert dem Kunden die fertige App. Dieser findet das Werk aber alles andere als fertig. Die Farbe passt nicht, das Logo muss verkleinert werden und eine Funktionalität läuft doch gar nicht wie abgesprochen!. Das war doch von Anfang an klar – sagt der Kunde. Das war nicht Teil der Aufgabe und die Anpassungen der Farben von grün auf lila schon gar nicht! – sagt die Agentur.

Und nun? Wer trägt hier welche Kosten? Beziehungsweise wer hat welche Arbeiten noch im Kostenrahmen (der sich im Übrigen auf was genau bezieht?) zu tragen?

Der Projektrahmenvertrag bei agilen Projekten

Damit eben dies genau nicht passiert, sollte zu Beginn eines Projekts ein Projektrahmenvertrag geschlossen werden, der die Eigenheiten von agilen, sich entwickelnden Projekten zum Gegenstand hat. Wie ein solcher dem Grunde nach auszusehen hat, was die Vorteile sind und warum man die guten, alten Lasten- und Pflichtenhefte auch bei aller Agilität nicht in die Abstellkammer verbannen sollte, das habe ich schon vor einiger Zeit in dem Artikel Von Lastenheften, Pflichtenheften und was das gerade bei agilen Projekten mit Verträgen zu tun hat ausführlich beschrieben.

In aller Kürze geht es darum:

Agile Projekte sind eine tolle Sache. Agile Projekte, die aus dem Ruder laufen, weil keiner weiß, was wer von wem eigentlich will, sind die Pest. Ein Vertrag, der die speziellen Eigenheiten von agilen Projekten berücksichtigt, schafft Strukturen, Sicherheit und Vertrauen, damit Sie sich mit Ihrem Geschäftspartner auf eben das Geschäft konzentrieren können.

Wer dazu mehr wissen möchte, der belese sich – wie gesagt –  hier.

[Und wer etwas zu den rechtlichen Fallstricken der App-Entwicklung und -Vermarktung lesen möchte, der folge bitte diesem Link]

Allerdings lässt sich weder ein „agiler Vertrag“ oder ein „Projektrahmenvertrag“  im BGB finden. Das ist auch relativ klar, denn nur weil ein Vertrag auf eine flexible Projektentwicklung Rücksicht nimmt, ist eben noch nicht gesagt, welche Art von Leistungen denn innerhalb der flexiblen Projektentwicklung erbracht werden sollen. Folglich muss schon ein Blick auf die beabsichtigten Leistungen geworfen werden, um den passenden Rahmen mit solch einem Vertrag bilden zu können.

Und damit kommen wir nun endlich zu den angekündigten unterschiedlichen Vertragstypen.

Die unterschiedlichen Vertragstypen

Oh, welch abstrakter Kauderwelsch der Juristin im vorvorgehenden Absatz! – mag der ein oder andere denken. Drum, wenden wir uns einfach mal ganz konkret „klassischen“ Vertragstypen aus der IT- und Medienbranche zu, um den Nebel etwas weiter zu lichten, bzw. den Inhalten von Projekt(rahmen-)verträgen näher zu kommen.

Doch – an dieser Stelle gleich eine Warnung! Es gibt derer viele. Und kaum einer der Verträge, die heutzutage in der digitalen Welt ständig benötigt werden, lässt sich „mal eben“ und „einfach“ zu ordnen. Oft handelt es sich gar um typengemischte Verträge bzw. um Verträge sui generis (letzteres sagt der Jurist, wenn er auch nicht so genau weiß, was er denn dazu noch sagen soll, dann ist es eben der oben schon genannte „Vertrag eigener Art“ 😉 ).

Trotzdem versuchen wir einmal im Überblick aufzuzeigen, was für Verträge es denn rund um das Digitale so gibt. Ein Anspruch auf Vollständigkeit gibt es nicht. Und vor allem auch nicht zur Vollständigkeit bezüglich der einzelnen Ausführungen zu den Verträgen. Denn zu jedem einzelnen gibt es ganze Handbücher, Kommentare und ellenlange Abhandlungen. Aber wohl an, auf in den Überblick:

Agenturvertrag

Ähnlich wie beim „agilen Vertrag“ sagt auch der oft verwendete Begriff „Agenturvertrag“ noch nichts über den vereinbarten Inhalt aus. Klar wird dadurch nur, dass ein Rechtsgeschäft zwischen einer Agentur und dem Kunden geschlossen wird. Auch hier kommt es also darauf an, was die Parteien inhaltlich vereinbart haben.

Beim Mediaagenturvertrag verpflichtet sich eine Agentur bspw. meist zu Mediaplanung und –einkauf für den Kunden, von dem sie dafür ein Entgelt erhält. Die Agentur übt also eine eigene wirtschaftliche Tätigkeit im Kundeninteresse aus. Die Rechtsprechung stuft derartige Verträge daher als sogenannte  Geschäftsbesorgungsverträge (§ 675 BGB) ein. Die Agentur ist danach zur Auskunft und Rechenschaft sowie zur Herausgabe dessen verpflichtet, was sie aus der Geschäftsbesorgung erlangt. Dazu gehören auch Rabatte oder sonstige Vergünstigungen, die sie von Werbeträgern erhalten hat (BGH, Urteil vom 16.6.2016 – III ZR 282/14). Der Kunde wird dagegen verpflichtet, Aufwendungen, die die Agentur zum Zwecke der Ausführung des Auftrags macht und auch machen darf, zu ersetzen bzw. vorzuschießen.

Je nach vereinbarter Leistung (durch die Agentur) und Gegenleistung (in der Regel eine Geldzahlung des Kunden) kann ein „Agenturvertrag“ aber auch gänzlich andere Leistungen zum Gegenstand haben. Er kann Werk-, Kauf-, Dienst- oder sonstiger Vertrag im Sinne des BGB sein. Auch Kombinationen sind möglich, denkt man an den Aufbau eines Onlineshops (Werkvertrag), dessen Vermarktung (Geschäftsbesorgungsvertrag) und Pflege (Dienstvertrag). Zur Absicherung der Agentur sollten daher AGB erstellt werden, die die rechtlichen Einzelaspekte des angebotenen Leistungsportfolios berücksichtigen.

Mehr dazu, wie ein solcher Agenturvertrag aufgebaut sein könnte bzw. sollte, finden Sie in dem Artikel Agenturvertrag? Allgemeine Geschäftsbedingungen? – Muss das sein?!?. Und welche Risiken sich ganz speziell aus sogenannten „Agentur-Flatrate-Vereinbarungen“ ergeben können, die zunächst wahrlich gut klingen, das können Sie im Artikel Die Flatrate im Agenturvertrag – klingt toll, kann teuer ausgehen (LG Köln v. 20.02.2015; Az.: 12 O 186/13 zur Unterscheidung von Dienstvertrag und Werkvertrag) nachlesen.

Webdesign- und Software-Erstellungs-Vertrag

Hier verpflichtet sich der Anbieter, welcher natürlich eine Agentur sein kann, zur Erstellung einer individuellen Webseite oder einer bestimmten Software (App-Entwicklung!) für den Kunden. Ein solcher Vertrag wird – ebenso wie ein Vertrag über die Erstellung oder Bearbeitung einer speziellen, auf die Bedürfnisse des Auftraggebers abgestimmten Software – von der Rechtsprechung grundsätzlich als Werkvertrag (§ 631 BGB) eingestuft. Grundsätzlich deshalb, weil die Rechtsprechung sich mit der Qualifizierung von Software als „bewegliche Sache“ (siehe dazu auch unten) in folgender Hinsicht ein kleines Eigentor geschossen hat . Denn auf die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen ist gem. § 651 BGB nicht Werkvertragsrecht, sondern Kaufrecht (§ 433 BGB) anzuwenden. Für die Agentur hätte das gerade bei umfangreichen Projekten den Nachteil, dass diese bspw. keine Abschlagszahlungen oder Mitwirkungspflichten des Kunden geltend machen könnten. Um dieses Problem zu lösen, wird auf den Hauptbestandteil des Vertrages abgestellt. Liegt dieser darin, eine bereits fertige Software lediglich zu liefern, gilt Kaufrecht. Geht es jedoch (auch) überwiegend um die Herstellung und Planung eines Werkes, soll Werkvertragsrecht gelten. Die Erstellung einer individuellen Webseite oder Applikation ist sinnvollerweise letzterem Fall und damit dem Werkvertragsrecht zuzuordnen. Als Abgrenzung zum Dienstvertrag lässt sich festhalten, dass hier nicht nur das Bemühen um die Erstellung der Webseite geschuldet ist, sondern die tatsächliche Fertigstellung. Das reine Bemühen wäre für den Kunden nämlich nutzlos.

SEO-/ SEM-Vertrag:

Auch SEO und SEM sind nur all zu oft Leistungen, die von Agenturen erbracht werden. Auch diese Leistungen können also Gegenstände eines „Agentur“-Vertrages sein. Hinsichtlich der rechtlichen Einordnung dieser Leistungen gilt wieder einmal: Es kommt darauf an …

… nämlich darauf, ob sich eine Agentur bspw. zur Setzung einer bestimmten Anzahl von Backlinks verpflichtet, dann wird die Herbeiführung eines Erfolges vereinbart und es gilt dann Werkvertragsrecht (LG Amberg, Urteil vom 22.8.2012 – Az. 14 O 417/12). Da jedoch in den allermeisten Fällen ein konkreter (Werbe-) Erfolg nicht vorhergesagt werden kann und gerade Agenturen für einen solchen auch nicht einstehen wollen, sind diese Verträge als in der Regel Dienstverträge zu qualifizieren (LG Köln, Urteil vom 20.2.2015 – Az. 12 O 186/13). Geschuldet ist dann kein Erfolg, sondern allein das Tätigwerden. – Jedenfalls sollten die Verträge im Sinne der Anbieter dem gemäß ausgestaltet sein.

Application-Service-Providing (ASP)-Vertrag, Software-as-a-Service (SaaS)-Vertrag

Der ASP-Vertrag wird von der Rechtsprechung als Mietvertrag (§ 535 BGB) eingestuft, da es sich hierbei im Wesentlichen um eine (entgeltliche) Gebrauchsüberlassung handelt. Der Anbieter schuldet im Falle des ASP in der Regel nämlich die Bereithaltung der Software auf seinen Servern und die Erteilung der Erlaubnis zur Nutzung der Software über das Internet oder andere elektronische Netze für eine bestimmte Zeit. Während dieser Zeit ist der Kunde zur Mietzahlung verpflichtet. An der Einordnung als Mietvertrag ändert sich laut Rechtsprechung auch nichts, wenn der Anbieter Zusatzleistungen – wie z.B. die Softwarepflege und Updates – übernimmt (BGH, Urteil vom 15.11.2006 – XII ZR 120/04). Allerdings wurde bei diesem Urteil davon ausgegangen, dass der Anbieter die jeweiligen Software-Anwendungen dem Kunden speziell entsprechend für den jeweiligen Kunden zur Verfügung stellt. Es handelt sich also eher um die Gebrauchsüberlassung einer Software, die eben nicht lokal beim Kunden, sondern auf einem (Cloud-)Server für den Remote-Zugriff aber für genau diesen einen Kunden gespeichert wird. Insoweit liegt tatsächlich die Gebrauchsüberlassung einer/der Software im Fokus. Dies ergibt sich auch daraus, dass bei derartigen Lösungen oftmals nur die Gebrauchsüberlassung und ggf. noch Updates, nicht aber zum Beispiel Leistungen zur Datensicherung oder Datensicherheit vom Anbieter geschuldet werden. Diese Leistungen werden separiert.

Beim Saas-Vertrag sieht das schon wieder anders aus. Denn hier wird die Software für zahlreiche Kunden zum Abruf und zur Nutzung bereitgehalten. Eben als „Service“ also als Dienst am Kunden. Damit befinden wir uns in erster Linie im Dienstvertragsrecht. Regelmäßig werden im SaaS-Vertrag auch Pflichten über den Programmablauf hinaus, wie etwa die Datensicherungen und Datensicherheit übernommen. Das Dienstvertragsrecht kennt aber kein Leistungsstörungsrecht. Deswegen enthalten Verträge zu SaaS in der Regel sogenannten Service-Level-Agreements (SLA). In diesen „Wartungsverträgen“ wird konkret beschrieben, welche Pflichten den Diensteanbieters im Falle von Störungen des Programmablaufs treffen.

Die Gebrauchsüberlassung bzw. der Zugang zum Dienst wird übrigens in beiden Fällen regelmäßig durch Klauseln weiter ausgestaltet, die urheberrechtlichen Lizenzvereinbarungen entsprechen. Warum? Nun, ja, die Überlassung wird schlicht durch „passwortgeschützten Zugriff über das Internet“ gewährt. Der Rest des Handelns stellt vielmehr die Nutzung der Software dar und für die Nutzung einer Software brauche ich doch wegen der urheberrechtlichen Leistung – genau Nutzungsrechte.

(Wenn Sie sich jetzt vertieft für die Dogmatik interessieren. Nur zu, googlen Sie. Sie werden jede Menge finden. Aber sagen Sie nicht, ich hätte Ihnen nicht gesagt, dass man Kopfschmerzen davon bekommen könne!)

Übrigens, die Entscheidung des BGH zum ASP-Vertrag ist aus dem Jahr 2006. Das ist circa 100 digitale Leben her. Hier wurde noch für das Mietvertragsrecht wegen der Überlassung der Software votiert. Das Mietvertragsrecht ist auf körperliche Gegenstände bezogen. Und Software ist… ja, genau, heutzutage kaum mehr überhaupt noch verkörpert (man erinnere sich an CDs oder besser noch: Disketten). Vor diesem Hintergrund wäre auch spannend, ob der BGH hier bei ASP- und insbesondere eben bei SaaS-Verträgen überhaupt noch Mietvertragsrecht annähme.

Doch sei es drum, lange Rede kurzer Sinn, was will ich sagen: Gerade Software-Überlassungsverträge sind inzwischen zumeist Verträge eigener Art. Dogmatisch wird um die Einordnung als dieses oder jenes immer noch gestritten – in der Praxis haben sich jedoch einfach bestimmte Formulierungen (wie z.B. die Lizenzformulierungen zur/neben der Gebrauchsüberlassung) schlicht durchgesetzt und sind auch entsprechend in den Vertragshandbüchern zu finden.

Wartungs-, Pflege- oder Servicevertrag

Die oben genannten Wartungsverträge gibt es nicht nur hinsichtlich SaaS-Anwendungen, sondern natürlich auch in Bezug auf die Wartung von lokaler Software, eines EDV-Programmes oder auch von Webseiten bzw. den dahinterstehenden Content-Management-Systemen oder den IT-Strukturen. Auch hier kommt es theoretisch maßgeblich darauf an, was vereinbart wird. Ist nämlich „nur“ die laufende Serviceleistung gefragt, dann handelt es sich um ein Dienstverhältnis (da nur die Tätigkeit geschuldet ist). Zweckmäßigerweise sollte man aber natürlich die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit und die Beseitigung von Störungen vereinbaren, so dass die Leistung auf die Schaffung eines konkreten Erfolges gerichtet ist. Und damit gälte dann das – für den Besteller – wesentlich vorteilhaftere –  Werkvertragsrecht.

Lizenzvertrag/Lizenzvereinbarungen

Lizenzverträge werden geschlossen, um Unternehmen oder Privatpersonen Rechte zur Nutzung von Patenten, Marken- oder Urheberrechten einzuräumen. Es handelt sich um sogenannte immaterielle Güter. Es gibt natürlich reine Lizenzverträge. Zum Beispiel Software-Lizenzverträge. Regelungen zu Immaterialgüterrechten, also Lizenzvereinbarungen, finden sich  – wie hier überall schon angedeutet – schnell in allen möglichen Verträgen.

So ist (sollte!) zum Beispiel in Agenturverträgen geregelt sein, dass die die Agentur hinsichtlich gelieferter Bildmaterialien über die notwendigen Nutzungsrecht verfügt und diese auch Dritten gegenüber einräumen kann. Die Agentur wird sich demgegenüber zusichern lassen, dass vom Kunden für die Erstellung von Webseiten gelieferte Fotografien verwendet werden dürfen – also hier ebenfalls entsprechende Nutzungsrechte bestehen.

Auch bei Software-Entwicklungsverträgen findet sich neben der Werkleistung eine urheberrechtliche Leistung. Folglich bedarf es auch hierzu Regelungen.

Web-Hosting-Vertrag

Der Web-Hosting-Vertrag ist in der Regel ein typengemischter Vertrag (siehe dazu Teil 1). Wenn der Anbieter nämlich auf seinem eigenen Server dem Kunden Speicherplatz und einen entsprechenden Zugang zu diesem zur Verfügung stellt, dann weist dieses Rechtsverhältnis dienst-, miet- und werkvertragliche Aspekte auf. Es ist dann Sache des Kunden, diesen Speicherplatz durch eine eigene Webseite o.Ä. zu nutzen und zu verwalten. Findet der Vertragszweck seinen Schwerpunkt allerdings in der Gewährleistung der Abrufbarkeit der Webseite des Kunden im Internet, so liegt es nahe, insgesamt einen Werkvertrag im Sinne der §§ 631 ff. BGB anzunehmen (BGH, Urteil vom 4.3.2010 – III ZR 79/09).

Domainvertrag/ Domain-Hoster-Vertrag

Bei diesen Vertragsbeziehungen gilt es zwischen den Beteiligten zu differenzieren. Geht es darum, originär ein Nutzungsrecht an einem Domainnamen zu „erwerben“, dann kommt in jedem Fall – also egal, ob selbst geschlossen oder über einen Provider – ein Vertragsschluss zwischen dem zukünftigen Domain-Inhaber und der Registrierungsstelle zustande. Ähnlich wie beim Lizenzvertrag wird auch hier ein Vertrag eigener Art angenommen, der pacht-, kauf-, miet-, dienst-und werkvertragliche Elemente enthalten kann. Erfolgt die Domain-Beschaffung und Registrierung dagegen über einen Dritten (Provider, Agentur etc.), dann besteht auch zwischen diesem und dem künftigen Domian-Inhaber ein Vertragsverhältnis. Welcher Art dieser Vertrag ist, hängt davon ab, was die Parteien vereinbaren. Erfolgt die Leistung unentgeltlich, kann es sich um einen Auftragsvertrag (§ 662 BGB) handeln. Wird dagegen eine erfolgreiche Beschaffung und Registrierung gegen Entgelt vereinbart, handelt es sich um einen entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag (siehe dazu schon oben) mit werkvertraglichem Schwerpunkt.

Internet-System-Vertrag

Ein sehr häufiger Fall eine Kombination der zuvor beschriebenen Vertragsmodelle. Leistungen wie z.B. Recherche und Registrierung einer Internet-Domain, die Zusammenstellung der, die Gestaltung und Programmierung einer individuellen Internetpräsenz nach bestimmten einzeln aufgeführten Vorgaben, das „Hosting“ der Websites und Mailboxen auf den Servern des Anbieters sowie die weitere Beratung und Betreuung über eine Hotline können alle Gegenstand eines einzigen Vertrages sein. Die Rechtsprechung nennt solche Verträge „Internet-System-Verträge“ (ja, man hört es, es ist auch mindestens 100 digitale Leben her, dass der Begriff geprägt wurde.) Eben nach der Rechtsprechung gehören diese zum Kreis der Internet-Provider-Verträge. Das hört sich nach einer total tollen Kategorisierung an, meint aber gar nix: Denn inter diesem Oberbegriff wird eine Vielzahl unterschiedlicher Vertragstypen zusammengefasst, bei denen es sich zumeist um atypische oder typengemischte Verträge handelt (siehe dazu Teil 1). Nicht selten qualifiziert die Rechtsprechung diese Verträge ihrem Gesamtcharakter nach jedoch als Werkverträge (BGH, Urteil vom 4.3.2010 – Az. III ZR 79/09).

Der eine oder andere wird sich nun womöglich fragen, ob eine Einteilung als Werkvertrag überhaupt möglich ist, wenn bspw. ein monatliches pauschales Entgelt gezahlt wird und der Vertrag auf eine bestimmte Zeitdauer angelegt ist. Dies sind nämlich Eigenschaften, die gerade nicht zum Werkvertrag passen. Außerdem wird dem Kunden am Ende ja auch kein Werk als solches übergeben. Nach der Rechtsprechung macht das jedoch nichts, solange der Vertragszweck auf einen konkreten Erfolg gerichtet ist. Begründet wird das u.a. mit der Ähnlichkeit zu Verträgen über die Präsentation von Werbespots/Videoclips auf einem öffentlichen Videoboard, der Anbringung von Werbeplakaten auf bestimmten Flächen für eine festgelegte Zeitspanne oder Werbeanzeigen im Telefonbuch. Trotz ihres atypischen Charakters werden auch diese als Werkverträge qualifiziert.

Auch wenn es vielleicht gerade anders klang, letztendlich sind diese Projekte, die eine Kombination von Leistungen anbieten, wie folgt zu qualifizieren: Nichts genaues weiß man nicht, es kommt auf das konkrete Vertragsverhältnis und die Bewertung im Einzelfall an, es ist nur möglich, das insgesamt ein Werkvertrag angenommen wird.

Fazit

Zum einen haben Sie nun einen Überblick über eine Vielzahl von Verträgen erhalten, die rund um die Digital-Branche bzw. im Hinblick auf digitale Projekte wie etwa die Applikations-Entwicklung gängig und üblich sind.

Deutlich geworden sollte dabei sein, dass sich in diesem Bereich weder aus der Bezeichnung eines Projekts noch aus der Bezeichnung eines Vertrages (!) zwingend ergibt, welche Partei was wann und in welchem Umfang zu tun und zu lassen hat und/oder welche Rechte oder Pflichten eine Partei hat. Das ergibt sich erst aus dem konkreten Vertragsinhalt, welcher entweder von den Parteien im Vorhinein frei vereinbart werden kann oder durch Auslegung im Nachhinein von den Parteien, Anwälten und unter Umständen eines Gerichts ermittelt werden muss.

Im eigenen Interesse sollten sich die Parteien deswegen über den Projektinhalt und die diesbezüglichen Vereinbarungen im Vorwege Gedanken machen, diese verhandeln und die Vereinbarungen schriftlich fixieren. Das klingt vielleicht nervig und der eingangs beschriebenen Euphorie wenig dienlich – im Ergebnis ist es aber schlicht professionell. Beide Parteien haben sich dann über das, was sie als Leistung anbieten bzw. als Leistung sowie Gegenleistung geschuldet sehen, Gedanken gemacht und dies verhandelt.

Dazu ist zu bemerken, dass Rechtsstreitigkeiten oft gar nicht entstehen, weil wirklich etwas bahnbrechendes „schief“ geht, sondern weil eine der Parteien der Meinung ist, es ginge etwas schief, die andere aber der Meinung ist, es sei doch alle Leistung ordnungsgemäß erbracht. Liegt in solch einem Fall kein Vertrag vor, auf den die Parteien zurückgreifen können, müssen die Einzelheiten aus Meeting-Protokollen und Mails einzeln zusammengesammelt werden. Das macht nicht nur wenig Spaß und ist darüber hinaus  mit Zeit und Arbeit verbunden, nein, das führt auch oft dazu, dass es so wahnsinnig viel Arbeit machen würde, den Kern des eigentlichen Vertragsverhältnisses, des „Wer wollte denn von wem hier eigentlich was auf welcher Grundlage“, dass man dem Mandanten sagen muss: Vergleichen Sie sich. Es es steht in keinem wirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Verhältnis, diesen Berg minutiös zu durchforsten und rechtlich zu bewerten. Zumal – wenn eben keine klaren Vereinbarungen in Form eines Vertrages vorliegen – bewiesen werden muss, dass doch diese oder jene Vereinbarung vorlag. Das heißt, es bleibt ein Risiko auch noch den Rechtsstreit zu verlieren und/oder dann vom Gericht zum Vergleich aufgefordert zu werden. Das klingt unschön? Ja, das ist es. Es ist nicht schön, wenn aus einem Projektvolumen von 2.000,00 EUR mit einmal ein Rechtsstreit über knapp 30.000,00 EUR geführt wird. Oder ein Projekt über 25.000,00 EUR mit einmal bei 100.000,00 EUR liegt.

(Und nein, das sind keine Geschichten aus der Yucca-Palme um Angst zu machen, sondern eben schlicht Beispiele aus meinem Kanzlei-Alltag).

Last but not least an dieser Stelle ein Hinweis zu Musterverträgen, die Sie im Internet finden. Ob Ihnen ein Mustervertrag bei Ihrem Projekt und Ihrer Vertragsgestaltung tatsächlich helfen kann, hängt davon ab, wie gut Sie beurteilen können, ob der von Ihnen ausgewählte Mustervertrag zu dem von Ihnen geplanten Projekt passt und ob dieser Vertrag ihr Vorhaben tatsächlich stützt.

In diesem Sinne,

vertragen Sie sich am besten einfach im ganz wörtlichen Sinne.

Auch dieser Artikel ist mit der Unterstützung von Christian Frerix verfasst worden. Der Jurist promoviert derzeit an der Universität Hamburg und war daneben bis November 2017 in der Anwaltskanzlei Diercks (vormals: im Hamburger Büro von Dirks & Diercks Rechtsanwälte) als Jurist tätig.

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Nina Diercks (M.Litt, University of Aberdeen) arbeitet seit 2010 als Rechtsanwältin. Sie führt die Anwaltskanzlei Diercks in Hamburg. Die Anwältin berät und vertritt Unternehmen bundesweit, ist jedoch ausschließlich im IT-| Medien-| Datenschutz und Arbeitsrecht tätig. Daneben steht die Nina Diercks gern und oft als Referentin auf der Bühne sowie als Interviewpartnerin und Gastautorin zur Verfügung. Dazu hat sie im Jahr 2010 diesen Blog (früher: Social Media Recht Blog) ins Leben gerufen. Mehr

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