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Die unterschiedlichen Vertragstypen (in) der Medien- und IT-Branche – Teil 1

Autor: Christian Frerix*

Verträge werden überall geschlossen. Ob morgens im Supermarkt, mittags im Schwimmbad oder abends im Kino. Sie begleiten uns täglich und unser Leben lang. Was ist also das Besondere an den Verträgen im Medien- und IT-Bereich, dass es sich lohnt, einen ganzen Artikel dazu zu schreiben? Nun ja, im Alltag denken wohl die wenigsten daran, dass sie an der Kasse gerade eine Rechtsbeziehung eingehen. Und über Vertragsform und –inhalt werden sich noch weit weniger Gedanken gemacht. Das ist auch verständlich, werden sich die Parteien über die potentiell zu regelnden Inhalte schnell und stillschweigend einig. Geht es dagegen um komplexere Sachverhalte wie z.B. die Erstellung, Vermarktung und Wartung einer Web-Präsenz, dann kann das mit der Schnelligkeit und Einigkeit schnell vorbei sein. Es sollte dann im Interesse aller Beteiligten sein, die Geschäftsbeziehung vertraglich festzuhalten. Vor allem im IT- und Medienbusiness ist es jedoch häufig zu beobachten, dass – teils nur mündlich – die unterschiedlichsten Vereinbarungen getroffen werden, ohne dass diese Gegenstand eines detailliert ausgearbeiteten Vertrages werden. Warum diese Haltung viele Gefahren birgt, wie man diese umgehen kann und welche Vertragsformen sich speziell für den IT- und Medienbereich anbieten, soll Gegenstand dieses Artikels sein. Bevor wir jedoch im zweiten Teil exemplarisch auf verschiedene Vertragstypen des Medien- und IT-Bereichs eingehen, werfen wir zunächst einen Blick auf die Grundlagen der Vertragsgestaltung.

Was ist überhaupt ein Vertrag?

Der eine oder andere wird sich an dieser Stelle denken: „Ist doch völlig klar. Damit habe ich ja schließlich jeden Tag zu tun.“ Ja, aber… IT- oder Agenturverträge findet man nirgends im Gesetz. Sind das also dann doch keine richtigen Verträge? Oder kommt der Gesetzgeber mit dem „Gesetz geben“ nur nicht hinterher? Um diese Fragen zu beantworten, ziehen wir eines der bedeutendsten Prinzipien des Privatrechts heran: den „Grundsatz der Privatautonomie“. Die deutsche Rechtsordnung geht – wie viele andere auch – davon aus, dass der Einzelne seine (Rechts-) Geschäfte nach eigenem Willen frei und selbst, aber immer innerhalb der Grenzen der jeweiligen Rechtsordnung, gestalten kann. Als Teil dieser Autonomie garantiert die Vertragsfreiheit dem Einzelnen, seine privaten Lebensverhältnisse durch Verträge zu gestalten. Der Vertrag ist damit das Mittel zur Gestaltung eigener Angelegenheiten und besteht aus mindestens zwei inhaltlich übereinstimmenden, mit Bezug aufeinander abgegebenen Willenserklärungen – genannt Angebot und Annahme. Übersetzt meint das: Im Idealfall macht eine Partei ein Angebot, die andere nimmt es an und beide sind mit dem dann geschlossenen Vertrag glücklich bis an ihr Lebensende. Ob, in welcher Form (z.B. mündlich oder schriftlich), mit welcher Überschrift und mit welchem Inhalt der Vertrag geschlossen wird, bestimmen die Parteien grundsätzlich selbst.

Vertragstypen des BGB

Der umgekehrte und häufiger anzutreffende Fall ist jedoch der, dass zwar Geschäftsbeziehungen bestehen, die Parteien sich aber über deren Modalitäten nicht oder nicht umfangreich verständigt haben. Meinungsverschiedenheiten sind dann vorprogrammiert. Das hat auch der Gesetzgeber gesehen und im BGB verschiedene Vertragstypen geschaffen, die den Gerichten die rechtliche Bewertung privater Rechtsverhältnisse im Streitfall ermöglichen sollen. Weil das BGB aber aus einer Zeit stammt, in der es (Social) Media, IT und Internet noch nicht gab, wird klar, warum man nach Mediaagentur- oder Access-Provider-Verträgen vergeblich sucht. Geregelt sind vielmehr Vertragstypen wie Kaufvertrag, Mietvertrag oder Darlehensvertrag. Aus diesen ergeben sich dann die Rechte und Pflichten der Parteien in den jeweiligen Rechtsbeziehungen.

Lange Rede, kurzer Sinn: Den rechtlichen Rahmen der Vertragsgestaltung gibt das Recht vor. Innerhalb dieses Rahmens sind die Parteien in der Ausgestaltung ihrer Rechtsbeziehungen frei. Erfolgt keine oder eine unzureichende Vertragsgestaltung, dann müssen die Vertragstypen des BGB herangezogen werden.

Aus alt mach neu

Wir haben nun die besondere Situation, dass die „alten“ Vertragstypen des BGB auf den ersten Blick nicht so richtig auf die „modernen“ IT- und Medien- Sachverhalte passen wollen. Im oben beschriebenen Idealfall ist das zunächst noch kein Problem, denn es wurden ja alle – also auch vermeintlich streitige – Punkte durch die Parteien geregelt. Es gibt keinen Streit und das BGB brauchen wir auch nicht. Mit diesen Idealfällen verhält es sich aber leider so, wie mit der Sonne in Hamburg: Man sieht sie viel zu selten.

Während wir auf das Wetter leider keinen Einfluss nehmen können, lässt sich am vertraglichen Idealfall dagegen sehr wohl arbeiten. Denn die meisten Streitigkeiten entstehen naturgemäß, weil die Parteien bestimmte Punkte gar nicht oder nur unzureichend geregelt haben. Will man daraus resultierende Streitereien dann lösen, muss man – Sie ahnen es schon – auf die Regelungen des BGB zurückgreifen. Diese gelten auch im IT- und Medienbereich. Ganz unjuristisch ausgedrückt funktioniert das dann so, dass die Gerichte schauen, welcher BGB-Vertragstyp am ehesten auf den konkreten Fall passt, damit sie daraus dann die Rechtsfolge – ergo das Ergebnis des Streits –  herleiten können (Auslegung von Verträgen). Je weniger die Parteien also selbst regeln, desto mehr muss durch Auslegung ermittelt werden. Den „alten“ gesetzlichen Bestimmungen kommt in diesen Fällen dann eine entscheidende Bedeutung zu. Da diese aber immer allgemeiner gefasst sind, als individuell ausgestaltete Verträge, kann es dabei zu unliebsamen und unvorhergesehenen Ergebnissen kommen.

Warum ist das so wichtig, welcher BGB-Vertragstyp zu meinem Vertrag passt?

Der Grund dafür ist simpel: Jeder Vertragstyp beinhaltet unterschiedliche Rechte und Pflichten der Beteiligten. Daraus ergeben sich wiederum unterschiedliche Rechtsfolgen. Als Käufer eines Brötchens schließt man mit dem Bäcker einen Kauf- und keinen Mietvertrag, da man sich sonst schadensersatzpflichtig machen würde, wenn man das Brötchen aufisst. Das gilt auch für den IT- und Medienbereich. Am besten lässt sich das anhand zweier praxisrelevanter Vertragstypen aufzeigen: Dem Dienstvertrag einer- und dem Werkvertrag andererseits. Schließen die Parteien einen Dienstvertrag, verspricht der eine Teil, die von ihm versprochenen Dienste zu leisten, ohne jedoch einen Erfolg zu schulden. Vereinfacht ausgedrückt: Im Rahmen von Dienstverträgen muss der Dienstleister sein Bestes geben, aber ein bestimmter Erfolg ist nicht geschuldet. Das macht auch Sinn. Denkt man etwa an ein Werbe-Konzept, so ist die Leistung die Erstellung des Konzepts. Ob es aber „gelungen“ ist, liegt im Auge des Betrachters. Der eine findet es gut, der andere nicht. Deswegen ist hier kein bestimmter Erfolg, sondern nur die Durchführung der Dienstleistung geschuldet.

Im Gegensatz dazu steht der Werkvertrag. Hier ist ein konkreter Erfolg geschuldet. Ein Stuhl, der beim Tischler im Auftrag gegeben wurde, soll schließlich zum Sitzen herhalten können und eine App, die programmiert wurde, sollte laufen. Ansonsten sind die Werke nicht zu gebrauchen. Die Werkleistung ist dann nicht erbracht. In Folge dessen hat im Rahmen eines Werkvertrags auch stets seitens des Auftraggebers die sogenannte „Abnahme“ zu erfolgen. Mit der Abnahme erklärt der Auftraggeber faktisch, dass er mit der Sache zufrieden und diese “fertig” ist. Erst mit der Abnahme gilt das Werk als erstellt und der Werklohn wird fällig.  Aber nur dann. Andernfalls kann der Werklohn oder jedenfalls Teile davon zurückbehalten werden.

Weitere Unterschiede ergeben sich auch hinsichtlich der Kündigungsfristen, Mitwirkungspflichten der Vertragspartner und vielen anderen. Dazu hier mehr. In unserem Fall reicht jedoch die Feststellung aus, dass die Zuordnung eines Rechtsgeschäfts zu einem Vertragstyp praxisrelevante Auswirkungen hat. Schließlich ergibt sich daraus,  wer was wann und in welchem Umfang zu leisten hat.

Typengemischte und atypische Verträge

Nicht alle „modernen“ Vertragsformen lassen sich allerdings nur einem BGB-Vertragstyp zuordnen. Vielfach enthalten Verträge auch Elemente mehrerer Vertragstypen. Man spricht dann von „typengemischten Verträgen“. Als Beispiel sei hier der Web-Hosting-Vertrag genannt, der dienst-, miet- und werkvertragliche Aspekte aufweisen kann – aber nicht muss. Denn welche Vertragstypen im Einzelnen betroffen sind, hängt immer von der Parteivereinbarung ab. Das ist ja schön und gut, aber wir haben doch gerade gesehen, dass sich unterschiedliche Rechte und Pflichten aus den einzelnen Vertragstypen ergeben. Wenn man nun mehrere davon in einem Vertrag hat, woher weiß ich dann, wer was wann und wie zu machen hat? Berechtigter Einwand, aber…die Rechtsprechung stellt dann auf jede einzelne Leistung ab, sofern die Leistungen geteilt werden können. Ist also im Rahmen eines „Gesamtvertrages zur Erstellung einer Webseite inkl. Service“ letzterer Punkt streitig, dann gilt Dienstvertragsrecht. Geht es dagegen um die Erstellung der Webseite, dann gilt Werkvertragsrecht. Ist eine Trennung der einzelnen Leistungen nicht möglich, sind die Vorschriften desjenigen Vertragstyps heranzuziehen, der den wirtschaftlichen und rechtlichen Schwerpunkt des Vertrages bildet (OLG Köln, Beschluss vom 16.1.2014 – Az. 19 U 149/13). Auf Grund der Vertragsfreiheit ist aber auch der umgekehrte Fall denkbar: Die Rechtsbeziehung passt nicht zu einem BGB-Vertragstyp, weil sie in einem oder mehreren Punkten von diesem abweicht. Angenommen wird das z.B. beim Domain-Hoster-Vertrag (dazu mehr im 2. Teil). Man spricht dann von „atypischen Verträgen“, auf die die allgemeinen Regelungen des BGB für Rechtsgeschäfte Anwendung finden (§§ 311, 241 BGB).

So viel Theorie – Wo bleibt die Praxis?

Ja, ich weiß. Das war sehr theoretisch. Und das tut mir auch leid. Aber 1. haben sie es ja jetzt geschafft und 2. sollte nun klar geworden sein, warum es – egal ob große oder kleine Projekte – so wichtig ist, detaillierte Verträge zu formulieren. Regeln die Parteien ihre Rechte und Pflichten nämlich selbst und ausführlich, dann vermeiden sie den Rückgriff auf allgemeine und eben nicht speziell für den Medien- und IT- Bereich verfasste BGB-Vertragstypen. Individuell vereinbarte Verträge entsprechen immer eher dem Willen der Parteien, als allgemeine gesetzliche Regelungen. Nun ist es jetzt aber auch nicht so, dass im IT- und Medienbereich gar keine Verträge formuliert werden. Es gibt durchaus typische Vertragsformen, die wir auch erörtern werden. Im zweiten Teil. Dann auch mit mehr Praxisbezug. Versprochen.

In diesem Sinne, bis zum nächsten Mal

*Der Artikel ist ausschließlich von Christian Frerix verfasst worden. Der Jurist promoviert derzeit an der Universität Hamburg und war daneben bis November 2017 in der Anwaltskanzlei Diercks (vormals: im Hamburger Büro von Dirks & Diercks Rechtsanwälte) als Jurist tätig.

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Nina Diercks (M.Litt, University of Aberdeen) arbeitet seit 2010 als Rechtsanwältin. Sie führt die Anwaltskanzlei Diercks in Hamburg. Die Anwältin berät und vertritt Unternehmen bundesweit, ist jedoch ausschließlich im IT-| Medien-| Datenschutz und Arbeitsrecht tätig. Daneben steht die Nina Diercks gern und oft als Referentin auf der Bühne sowie als Interviewpartnerin und Gastautorin zur Verfügung. Dazu hat sie im Jahr 2010 diesen Blog (früher: Social Media Recht Blog) ins Leben gerufen. Mehr

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