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Die Flatrate im Agenturvertrag – klingt toll, kann teuer ausgehen (LG Köln v. 20.02.2015; Az.: 12 O 186/13 zur Unterscheidung von Dienstvertrag und Werkvertrag)

Wer heutzutage Produkte auf und in den Markt bringen will, der verzichtet gern auf teure Ladenflächen und wendet sich  direkt dem Online-Vertrieb zu. Schließlich lassen sich damit zumindest anfangs Miet- und Personalkosten sparen und zugleich ist der zu erreichende Verbraucherkreis ungleich größer als im analogen Einzugsgebiet eines Ladens.

Aber was wird gebraucht, wenn man sich eher mit dem zu vertreibenden Produkt, sagen wir beispielsweise Wein aus Südfrankreich, denn mit dem Internet auskennt? Genau, jemanden, der sowohl die technischen Angelegenheiten, also das Set-Up eines Online-Shops, als auch sogleich das notwendige Online-Marketing für einen aufsetzt und betreut. Und wie praktisch, wenn dies gleich aus einer Hand angeboten wird!

Doch was, wenn sich man sich von demjenigen mehr von der einen Leistung, aber weniger von der anderen Leistung gewünscht hätte? Oder man gar mit einer Leistungsart derart unzufrieden ist, dass man sich deshalb vom Vertrag lösen möchte? Tja, das ist die Frage. Das kann recht einfach sein. Das kann aber aber auch vor dem Richter enden. Anhand eines – aus Sicht des Auftraggebers – unschönen Falls, der am Schluss vor dem LG Köln landete, erklären wir nachfolgend, warum so ein Rundum-Sorglos-Paket einer Agentur doch zu Sorgenfalten beim Auftraggeber führen kann (Achtung: Kann, nicht muss.)

Worum ging es bei der Entscheidung des Landgerichts Köln?

Im Fall der Entscheidung des LG Köln (Urteil vom 20.02.2015, Az. 12 O 186/13) beauftragte ein (zukünftiger) Onlineshop-Betreiber eine Agentur mit dem Aufbau einer Internetpräsenz inklusive Aufsetzen des Shops und flankierenden Marketing-Leistungen. Zu diesem Zwecke wurde ein „Internetagentur-Flatrate“ -Vertrag abgeschlossen. Dieser beinhaltete zwei Leistungspakete:

Zum einen das Leistungspaket „Onlinemarketing-Flatrate“, welches u.a. Beratung, Konzeption, Strategie, Suchmaschinen-Optimierung sowie Social-Media-Beratung umfassen sollte.

Zum anderen das Leistungspaket „Internetagentur-Flatrate“. Zu dessen Leistungsumfang gehörten ausdrücklich „alle Leistungen der o.g. Onlinemarketing-Flatrate“, sowie „ Leistungen in Bezug auf Internet-Aktivitäten“ wie Beratung, Konzeption, Strategie, Kreation, Layout, Textarbeiten in Deutsch (exkl. Übersetzungen) sowie Internet-Programmierleistungen.

Nachtigall, ick hör Dir trapsen… Denn wenn Sie, geneigter Leser, hier kaum Differenzen und vielmehr Überscheidungen der Leistungspakete erkennen, dann können wir Ihnen nur sagen, so geht es nicht nur Ihnen. Doch zunächst noch einmal weiter zum Vertrag.

In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Agentur (AGB) hieß es dann weiter „Zwischen Kunde und Agentur wird kein Werkvertrag, sondern ein pauschaler Dienstvertrag geschlossen“. Dieser verfügte dann über eine erste Laufzeit von 24 Monaten, welche sich automatisch um 12 Monate verlängern sollte, wenn nicht innerhalb von 6 Monaten vor Ablauf der jeweiligen Laufzeit Frist gekündigt wird. Dabei wurde dann noch der Umfang der zu erbringenden Leistung festgehalten, insgesamt 575 Stunden pro Jahr, maximal 350 Stunden für die Onlinemarkting-Flatrate. Und diese Leistungen sollten monatlich mit insgesamt 4.400,00 EUR netto pauschal vergütet werden, wovon 2.990,00 EUR davon ausdrücklich auf die Onlinemarketing-Flatrate entfallen sollte.

Nach Vertragsschluss erbrachte die Agentur einige Marketing- und Beratungs- und Programmierleistungen. Zudem erwarb der Shopbetreiber auf Anraten der Agentur ein sog. „Template“ für 85 US Dollar, bei dem es sich um eine allgemein ausgelegte Programmierungsgrundlage handelte. Auf Grundlage dessen erstellte die Agentur eine Testumgebung für den Onlineshop und stellte diese dem Shopbetreiber zur Verfügung.

Eine genauere Darstellung der erfolgten Leistungen würde hier den Rahmen sprengen, wer mag, kann sich ja einmal das gesamte Urteil durchlesen. Doch nun zum Problem des Ganzen:

Was war das Problem?

Wie es nun doch gar nicht so selten vorkommt, hatte der Webshopbetreiber offenbar andere Vorstellungen hinsichtlich der von der Agentur zu vollbringenden Leistungen. Ihm ging es primär darum, dass die Agentur die Programmierung des Online-Shops samt dazugehöriger Warenwirtschaft erbringen sollte. Was sie dann jedoch ablieferte, war nach Ansicht  des Auftraggebers seinen Preis nicht wert. Deshalb erklärte er schon nach ca. 6 Monaten im Juni 2013 die „ordentliche Kündigung“ des Vertrags. Auch das monatliche Honorar zahlte der Shopbetreiber nur bis einschließlich Juni 2013. Die Agentur pochte ihrerseits auf die vertragliche Zahlungspflicht über einen Zeitraum von 24 Monaten und erinnerte hieran Ihren Kunden entsprechend.

Anstelle den Zahlungsaufforderungen nachzukommen, erklärte er Ende Oktober 2013 die Anfechtung des Vertrags, weil er arglistig getäuscht worden sei. Begründet wurde dies unter anderem damit, dass die Erstellung der Testumgebung für den Online-Shop weit weniger wert war, als er an Honorar zahlen musste. Hierbei wurde u.a. das oben genannte Template angeführt, dass den Aufwand der Agentur doch erheblich verringert habe.

Die Agentur war jedoch nicht geneigt, von ihrer monatlichen Vergütung, die seit Juli 2013 nicht gezahlt worden war, abzusehen, und erhob dementsprechend Klage.

Dienst- oder Werkvertrag?

Wer nun wissen möchte, ob die Agentur denn ihr Geld überhaupt bekommen könnte, der muss sich erst einmal mit der Frage beschäftigen, ob es sich bei dem geschlossenen Vertrag um einen Dienst- oder um einen Werkvertrag handelt.

Schließen die Parteien einen Dienstvertrag, verspricht der eine Teil, die von ihm versprochenen Dienste zu leisten, ohne jedoch einen Erfolg zu schulden. Dies  ist nach der Rechtsprechung in der Regel der Fall bei Onlinemarketing-Leistungen wie der Suchmaschinen-Optimierung (SEO) (vgl. OLG Köln · Beschluss vom 16. Januar 2014 · Az. 19 U 149/13 mwN). Hier ist nach der Rechtsprechung in der Regel nur die Beratung und Umsetzung, also die Leistung, nicht aber ein bestimmter Erfolg, wie ein bestimmtes Ranking o.ä. geschuldet. Vereinfacht ausgedrückt: Im Rahmen von Dienstverträgen muss der Dienstleister sein Bestes geben, aber ein bestimmter Erfolg ist nicht geschuldet. Das macht auch Sinn. Denkt man etwa an ein Werbe-Konzept, so ist die Leistung die Erstellung des Konzepts. Ob es aber „gelungen“ ist, liegt im Auge des Betrachters. Der eine findet es gut, der andere nicht. Deswegen ist hier kein bestimmter Erfolg, sondern nur die Durchführung der Dienstleistung geschuldet.

Im Gegensatz dazu steht der Werkvertrag. Hier ist ein konkreter Erfolg geschuldet. Ein Stuhl, der beim Tischler im Auftrag gegeben wurde, soll schließlich zum Sitzen herhalten können und eine App, die programmiert wurde, sollte laufen. Ansonsten sind die Werke nicht zu gebrauchen. Die Werkleistung ist dann nicht erbracht. In Folge dessen hat im Rahmen eines Werkvertrags auch stets seitens des Auftraggebers die sogenannte „Abnahme“ zu erfolgen. Mit der Abnahme erklärt der Auftraggeber faktisch, dass er mit der Sache zufrieden und diese „fertig“ ist.  Juristisch ausgedrückt: Der Auftraggeber erklärt, dass die Sache mängelfrei und das Werk erstellt ist (wg. unwesentlicher Mängel oder aus „Bösartigkeit“ darf eine Abnahme natürlich nicht verweigert werden, aber dazu vielleicht ein anderes Mal mehr.) Erst mit der Abnahme gilt das Werk als erstellt und der Werklohn wird fällig.  Aber nur dann. Andernfalls kann der Werklohn oder jedenfalls Teile davon zurückbehalten werden.

Neben der Abnahme unterscheiden sich Dienst- und Werkvertrag auch maßgeblich hinsichtlich der Kündigungsmöglichkeiten:  Ein Werkvertrag kann nach§ 649 BGB bis zur Vollendung des Werks jederzeit gekündigt werden (und die bis dahin getätigten Arbeiten müssen ggf. vergütet werden). .

Bei einem Dienstvertrag muss hingegen die vereinbarte Laufzeit eingehalten werden, es sei denn es wird ordentliche innerhalb vereinbarter Kündigungsfristen oder aber außerordentlich gekündigt. Die außerordentliche Kündigung ist aber nur aus wichtigem Grund möglich (vgl. § 626 BGB).

Lange Rede, kurzer Sinn und zurück zu unserem Fall: Wenn es sich vorliegend um einen Werkvertrag handelt, dann hätte der Webshopbetreiber kündigen können und müsste die Vergütung nicht bis zum Ablauf des Vertrages bezahlen. Handelt es sich jedoch um einen Dienstvertrag, so gälte hier „pacta sunt servanda“ (lat.: „Verträge sind geschlossen“) und er müsste die Dienstleistung grundsätzlich zahlen.

Und wenn ein Vertrag irgendwie „beides“ ist?

Doch was ist es denn nun? Tja. Es gilt wie immer im Leben: Es gibt Nuancen zwischen schwarz und weiß. Und damit auch zwischen Dienst- und Werkvertrag. Das schimpft sich dann „typengemischter Vertrag“, hier werden dienst- wie werkvertragliche Elemente geschuldet.

In einem solchen Fall ist zu prüfen, welchen Zweck der Vertrag erfüllen sollte. Konkret, was der Wille der Vertragsparteien gewesen sein möge und was nach der objektiven objektiven Kundenerwartung zu erwarten gewesen wäre. Wenn es dabei möglich ist, die Leistungen klar nach Werk- oder Dienstleistungen zu trennen, werden dann auch jeweils die Vorschriften zum Werkvertrag oder eben zum Dienstvertrag  angewendet. Geht dies nicht, weil sie sich die Leistungen irgendwie überschneiden oder nicht klar getrennt werden können, dann, Zitat des OLG Köln (Beschluss vom 16.01.2014, Az.: 19 U 149/13):

„ […] ist das Recht desjenigen Vertragstypus heranzuziehen, der den rechtlichen oder wirtschaftlichen Schwerpunkt des Vertrages bildet […].“

Und nun? Welchen Vertragstyp hat das LG Köln angenommen?

Das LG Köln hat im vorliegenden Fall zunächst angenommen, dass sich hier zunächst einmal um einen „Rahmenvertrag“ mit Dienst- und Werkleistungselementen handelt, bei dem eine Trennung der einzelnen Leistungsbestandteile nicht vorgenommen werden kann.

Dann hat das Gericht den Vertrag  unter Berücksichtigung der Leistungsbeschreibung der „Flatrates“ und seiner Gesamtausrichtung ausgelegt. Es gelangte zu dem Schluss, dass der Vertrag insgesamt als Dienstvertrag anzusehen ist.

Dabei war das entscheidende Moment nicht, dass der Vertrag selbst bestimmte, er sei als „Dienstleistungsvertrag“ ausgestaltet. Das reichte natürlich nicht. Es ist nur ein Indiz von vielen. Wenn das so einfach ginge, wäre man schließlich fein raus und könnte einfach das besser passende – gleich worum es geht – einmal drüber pinseln. Also, man könnte gleich jeden  Verbrauchervertrag  als Unternehmervertrag deklarieren oder um es ganz plakativ auszudrücken „vegane Wurst“ auf die Salami schreiben.

Das Gericht erkannte vielmehr, dass die „Internetagentur-Flatrate“ zwar auch werkvertragliche Elemente enthält, diese jedoch nicht als bestimmend anzusehen seien, sondern die dienstvertraglichen Leistungen überwogen. Eine Begründung hierfür war z.B., dass ein höherer Betrag für das Online-Marketing vorgesehen war. Zudem war der Vertrag als Dauerschuldverhältnis angelegt, d.h. es kam nicht hauptsächlich auf die Fertigstellung eines Werkes an, sondern auf das fortlaufende, bei Bedarf in Anspruch zu nehmende Leistungsangebot an.  Sämtliche Leistungen sollten während der gesamten Vertragslaufzeit zur Verfügung stehen und hierfür auch das monatliche Pauschalhonorar zu zahlen sein. Diese Auslegung entspräche auch der objektiven Kundenerwartung, dass Leistung gerade nicht in der Herbeiführung eines Erfolges, sondern in der andauernden Verfügbarkeit der Leistungen bestünde.

Demnach sei auch eine Anwendbarkeit des  § 649 BGB mit dieser Honorarvereinbarung unvereinbar. Denn würde man diese Vorschrift für anwendbar halten, bestünde die Möglichkeit der freien Kündigung nach wenigen Monaten, obwohl gar ggf. der Auftragnehmer bereits die gesamte Leistung (z.B. das jährliche Stundenkontingent) erbracht hätte.

Für die Zahlung des monatlichen Pauschalhonorars kam es auf eine „Abnahme“ der Leistungen daher nicht an, das Honorar sollte unabhängig von den tatsächlich erbrachten Leistungen zu zahlen sein.

Ergebnis vor dem LG Köln

Da der Webshopbetreiber auch nicht darlegen konnte, dass er über die Leistungen der Agentur getäuscht worden war und demnach mit der Anfechtung ebenfalls nicht durchdrang, wurde er verurteilt, die bislang nicht gezahlten Honorare nebst Zinsen an die Agentur zu zahlen.

Fazit

Will ein Unternehmen eine Agentur oder einen sonstigen Auftragnehmer nicht nur mit dem Aufbau einer Internetpräsenz sondern so gleich auch mit konzeptionellen, strategischen sowie Marketing-Aufgaben betrauen wollen, sollte vorab genau überlegt und festgelegt werden, welche Leistungen in welchem Umfang erbracht werden sollen. Die einzelnen Leistungsbausteine sollten so exakt wie möglich benannt und vor allem das jeweilige Wesen (Werk- oder Dienstleistung) der jeweiligen Leistung sowie die jeweiligen Gegenleistungen (!) im Vertrag oder jedenfalls dazugehörigen Aufträgen festgehalten werden. Ob dies in einem oder mehreren Verträgen geschieht, kommt auf den Einzelfall an. In jedem Fall gilt: Nur, wenn die jeweiligen Leistungen mit Ihren Gegenleistungen klar voneinander abzugrenzen sind (oder der Schwerpunkt klar auf den werkvertraglichen Elementen liegt), können die werkvertraglichen Elemente im Rahmen des § 649 BGB vorzeitigt gekündigt werden – und damit viel Zeit, Geld und Ärger in dem Falle, in dem es nicht läuft wie geplant, gespart werden.

Der vorliegende Fall zeigt jedenfalls wieder einmal eindrucksvoll, dass es wesentlich günstiger ist, einmal vorher Geld für einen vernünftigen Vertrag oder eine anwaltliche Prüfung eines Vertrages in die Hand zu nehmen, als einfach im Vertrauen darauf „es werde schon gut gehen“ das vorgelegte Vertragswerk zu unterschreiben. Vorliegend ging es um eine Differenz von 21.000,00 EUR zzgl. Zinsen, zzgl. Anwalts- und Gerichtskosten. Und dafür kann man doch eine ganze Menge Verträge prüfen lassen…

Wer nun glaubt, ihn träfe das nicht, er sei schließlich die Agentur und für die sei doch alles super gelaufen, dem sei das Folgende gesagt: Hier ist entschieden worden, dass es sich um einen Dienstleistungsvertrag handelt und in diesem Fall war das gut für die Agentur. Das muss in einem anderen Fall aber so nicht sein, sondern kann ganz anders ausgehen.

Wer mehr zur Vertragsgestaltungen von AGB und Agenturverträgen wissen möchte, der kann gerne einen Blick in die kleine Reihe „Agenturvertrag? Allgemeine Geschäftsbedingungen? – Muss das sein?!?„, in der wir die wichtigsten Punkte einmal erläutern.

In diesem Sinne,

Vorsicht ist besser als Nachsicht (…ja, ja, ja. Fünf Euro ins Phrasenschwein…mach ich ja schon.)

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Nina Diercks (M.Litt, University of Aberdeen) arbeitet seit 2010 als Rechtsanwältin. Sie führt die Anwaltskanzlei Diercks in Hamburg. Die Anwältin berät und vertritt Unternehmen bundesweit, ist jedoch ausschließlich im IT-| Medien-| Datenschutz und Arbeitsrecht tätig. Daneben steht die Nina Diercks gern und oft als Referentin auf der Bühne sowie als Interviewpartnerin und Gastautorin zur Verfügung. Dazu hat sie im Jahr 2010 diesen Blog (früher: Social Media Recht Blog) ins Leben gerufen. Mehr

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