„Uff.“ – wenn ich mich unter meinen Freunden und Bekannten oder in meinen sozialen Netzwerken umsehe, so scheint dieser Laut dieser Tage schlicht den Zustand sehr, sehr vieler Menschen zu beschreiben. Alle scheinen nur darauf zu warten, die Türen hinter sich zuziehen und für ein paar Tage durchatmen und vergessen zu können. Alle scheinen müde, sehr müde zu sein. Das ist auch kein Wunder, denn
es hört irgendwie nicht auf.
„Es“ meint die Bedrohungslagen. Nach der Pandemie die Kriege live in Social Media. Ukraine. Israel. Den einen schon fast vergessend, weil der andere aktueller ist. Für Berg-Karabach, Mali, Südsudan oder Jemen bleiben da keine Ressourcen. Das Klima. Es wird hoffentlich schon irgendwie gehen und kein Starkregen das eigene Haus wegreißen. Die politische Lage. Die Niederlande von rechts überrollt. Die Tories sind schon lange nicht mehr die „Conservative Party“, sondern zu großen Teilen offene Rechtspopulisten. Die AfD, obwohl in drei Bundesländern als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft, wird voraussichtlich in eben diesen Ländern dieses Jahr Landtagswahlen gewinnen. Inflation. Arbeitskräftemangel. Undiffenzierte Diskurse in Sachen Asyl- und Migrationspolitik. Corona- und Influenza-Wellen. Kita-Schließungen. Schulentfall. Offener Antisemitismus in Deutschland. Im Bund eine Regierung, die scheinbar immer noch nicht begriffen hat, dass die Zeit der Blockierungen aus politischem Machtkalkül vorbei sein muss, um dieses Land voranzubringen. (Looking especially but not solely at you FDP). „Visionäre“, die mit ihrer kruden Idee von Free Speech das Kippen von Gesellschaften durch Algorithmen in den Ihnen gehörenden Netzwerken befeuern. Eine amerikanische Gesellschaft, die kurz davor scheint, mit der nächsten Wahl endgültig ins rechtpopulistische post-faktische Zeitalter zu treten.
Liest man nur die in immer schnellere Taktung aufgebenenen Schlagzeilen in den digitalen Medien, die stete Erregungsspiralen produzieren (wollen, clicks are still money), muss man fast zwangsläufig zu dem Schluss kommen, dass die Welt immer dunkler wird und immer schneller auf den Abgrund zurast.
Wird die Welt wirklich immer dunkler?
Ich stelle mir oft die Frage, ob das wirklich so ist. Was wäre gewesen, wenn wir Mitte bis Ende der 80iger schon die gleichen Technologien wie heute gehabt hätten? Damals hießen die Themen Ozonloch, Waldsterben, saurer Regen, kalter Krieg, Atommächte, Stellvertreterkriege, Ölkriege. Was wäre, wenn damals auch jede (vermeintlich) neue Information, in Echtzeit verbreitet und von selbsternannten Experten kommentiert worden wäre? Wenn es damals Live-Übertragungen aus den Golfkriegen gegeben hätte?
Vielleicht ist es heute also gar nicht so viel schlechter als damals. Vielleicht ist es einfach genauso schlimm? Und ganz vielleicht sogar etwas besser?
Vielleicht sind die Ergebnisse der letzten Weltklimakonferenz nicht gut. Aber vielleicht sind sie das Äquivalent zu den Auftaktbeschlüssen zur Abschaffung des FCKW? (Die Älteren erinnern sich. Das war der Stoff, der hauptursächlich für die Entstehung des Ozonlochs war und der ü b e r a l l dringsteckte. In jedem Haarspray, Deo, Kühlschrank. Es war der Stoff, den man sehr, sehr lange auch angeblich nicht reduzieren oder verbieten konnte. Und dann ging es doch.). Heute ging die Meldung rum, dass Deutschland erstmals mehr als die Hälfte seines Stromverbrauchs mit erneuerbaren Energien gedeckt hat. Es hieß lange, das sei unmöglich. qed. Und sicher wird auch noch mehr gehen. Portugal deckte gerade für 6 Tage (sic!) seinen Strombedarf aus Sonne, Wind und Wasser.
BionTech testet therapeutische mRNA-Vakzine gegen verschiedene Krebsarten, unter anderem gegen Darmkrebs.
Polen hat seine nationalpopulistische PiS-Regierung im Ergebnis abgewählt. Der Europäer Donald Tusk ist wieder zurück und neuer, alter Premierminister.
Die Soziologen Steffen Mau, Thomas Lux und Linus Westheuser haben herausgefunden, dass „von einer Spaltung der Gesellschaft“ zwar immer häufiger die Rede ist, entsprechende Untersuchungen dieses Gefühl aber gar nicht belegen können. Im Gegenteil: Bei vielen großen Fragen, so der überraschende Befund, herrscht einigermaßen Konsens. (Nachzulesen im Werk „Triggerpunkte“ von Suhrkamp oder in der Kurzfassung etwa in diesem Spiegel-Interview.)
Vielleicht ist also alles gar nicht so schlecht, wie uns der immerwährende Informationssturm glauben lassen will? Vielleicht neigen wir dazu, überproportional das Schlechte wahrzunehmen und das Gute zu übersehen? Ich bin der festen Überzeugung, dass dies so ist. Ich meine, wie viele schlechte Nachrichten lesen Sie am Tag und wie viele Gute? Und wie sehr ärgern Sie sich über eine Sache am Tag, die schief gegangen ist, während 15 Dinge problemlos funktioniert haben? Eben. *Insert Bastian Pastewka „Soooo“ GIF.
(Weiter wissenschaftlich begründen kann ich das jetzt nicht. Da müsste man vermutlich mal einen Psychologen befragen, der sich mit Evolutionsbiologie beschäftigt.)
Mehr ins Licht gucken?
Nein, nein liebe Augenärzt*innen, das meine ich selbstverständlich nicht wörtlich. Sondern im übertragenen Sinne. Die Welt haut uns die dunklen Nachrichten im Sekundentakt um die Ohren und die menschliche Psyche ist nun auch noch so gestrickt, dass sie eher die dunklen Nachrichten und das, was nicht klappt, wahrnimmt. Also muss man sich vielleicht doch ein bißchen austricksen und gucken, was gut ist. Im Großen wie im Kleinen.
Im Großen könnte es helfen, regelmäßig auch bei Good News vorbeizuschauen. Dort gibt es, ganz überraschend, wie der Name schon sagt, nur gute Nachrichten. Denn die Welt ist eben gar nicht so schlecht. (Ja, die Empfehlung gab ich schon im letzten Jahr. 😉
Im Kleinen muss jeder bei sich gucken. Ich fange mal an.
Sie erinnern sich an diesen kleinen Dackel? Es kam wie vermutet. Innerhalb kürzester Zeit ist sie zur Chefin der Kanzlei geworden und hat uns gut dressiert. Selbstverständlich liegt sie inzwischen auch schon längst auf dem Sofa, obwohl das eigentlich absolut v e r b o t e n war.
Wer mir auf diesen digitalen Kanälen folgt, der weiß, dass ich Ende April einen ziemlich blöden Sportunfall hatte, der in einem sehr kaputten Ellenbogen endete, mir einen Aufenthalt auf dem OP-Tisch nebst anschließendem Testen der Krankenhausbetten und recht langer Reha bescherte. Alles ziemlich schlecht. Aber wenn man so großartige Kolleginnen wie ich hat, die das dann zusammen mit den besten und verständigsten Mandant*innen der Welt (DANKE, dass Sie uns Ihre Arbeit anvertrauen!) alles irgendwie hinbekommen haben, dann ist das schon ganz schön toll. Genauso toll ist es, dass ich – aufgrund der herausragenden Arbeit des Teams im Krankenhaus sowie meines – besten aller – Physiotherapeuten – wieder turnen kann! Das klingt vielleicht unwichtig. Aber wer mich etwas kennt, der weiß wie wichtig dieser Sport als Ausgleich für mich ist.
Ich hoffe sehr, dass Sie auch derartige Lichtblicke bei sich finden. Auch und gerade, wenn alles im Umbruch scheinen sollte.
Und 2024?
Dazu sage ich jetzt nichts. (Das hat die letzten Jahre nicht geklappt. Ich probiere es jetzt mal mit Schweigen!)
Have a holly, jolly Christmas
Ich verabschiede mich in diesem Jahr von Ihnen mit „Holly Jolly Christmas“, geschrieben von Johnny Marks und gesungen hier von Michael Bublé.
Have a holly, jolly Christmas
It’s the best time of the year
Now I don’t know if there will be snow
But have a cup of Cheer
Denn ich denke, „a cup of Cheer“ kann jeder von uns gut gebrauchen. Ich bin mir auch sicher, das hilft gegen das „Uff!“. 😉 Ich wünsche Ihnen wundervolle Weihnachtstage und hoffe, dass Sie Zeit haben, diese kleine Auszeit mit Familie und/oder Freunden zu genießen und ein wenig durchzuatmen bevor das neue Jahr mit seinen neuen kleinen und großen Herausforderungen wartet.
In diesem Sinne,
Frohe Weihnachten & kommen Sie gut ins neue Jahr!
Danke!