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Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) ist geändert worden – Grundsanierung oder Kosmetikkur?

Am Ende des Jahres 2008 setzte der deutsche Gesetzgeber die europäische Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-RL) durch Änderung des UWG um und leistete damit seinen Beitrag zur Vollharmonisierung des Lauterkeitsrechts im Verhältnis von Unternehmern zu Verbrauchern auf europäischer Ebene. Am 10.12.2015 – also ziemlich genau 7 Jahre später – trat nun das zweite Änderungsgesetz in Kraft. Aus der Begründung dieses Änderungsgesetzes geht hervor, dass hier und dort noch Klarstellungsbedarf gesetzessystematischer Art bestand, um bereits im Wortlaut des UWG selbst eine vollständige Rechtsangleichung an die UGP-RL zu erzielen. Mit anderen Worten sollten also alle sprachlichen und systematischen Unklarheiten zwischen UWG und UGP-RL beseitigt werden. Ob das gelungen ist, was sich genau geändert hat und ob dies auch spürbare Konsequenzen für die Praxis mit sich bringt, erfahren Sie im folgenden Beitrag.

UWG – Was ist das überhaupt?

Das UWG ist das Gesetz zum Schutz der Verbraucher, Wettbewerber und sonstiger Marktteilnehmer vor unlauteren Geschäftspraktiken. Unlauter meint dabei jedes nicht faire oder nicht ehrliche Verhalten eines Teilnehmers im Wettbewerb. Gemeint sind damit bspw. unwahre Angaben eines Wettbewerbers, sonstige Täuschungen des Verbrauchers oder unzulässiges Verhalten gegenüber anderen Wettbewerbern. Zweck dieses Gesetzes ist damit auch die Schaffung und Aufrechterhaltung eines unverfälscht funktionierenden Wettbewerbs. Ein überblicksartiger Aufbau des Gesetzes findet sich hier.

Was wurde geändert?

Die Änderungen beziehen sich ausschließlich auf die allgemeinen Bestimmungen des UWG. Diese sind in den §§ 1-7 zu finden. Geregelt werden dort im Wesentlichen die unzulässigen Verhaltensweisen. Welche Folgen sich bei Verstößen für den oder die Verletzer ergeben und wie diese verfahrensrechtlich zu verfolgen sind, regeln weiterhin die – unveränderten – nachfolgenden Kapitel.

Im Rahmen der allgemeinen Bestimmungen wurden die  §§ 2 bis 5a inkl. des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG neu gefasst. Die Bandbreite dieser Neuerungen umfasst dabei ebenso Änderungen des Wortlautes bereits bestehender Paragraphen wie das Hinzufügen ganz neuer Regelungen. Die wesentlichen Neuerungen werden nun vorgestellt:

Definitionen

Im § 2 UWG wurden und werden weiterhin einige im Gesetz häufig auftauchende und nicht unbedingt selbsterklärende Begrifflichkeiten definiert. Die in § 2 UWG Nr. 7 bisher geregelte „fachliche Sorgfalt“ heißt jetzt „unternehmerische Sorgfalt“. Das bedeutet jedoch keine großartige Veränderung, weil die daran anschließende Definition ansonsten gleich geblieben ist. Neu eingefügt wurden dagegen die Nrn. 8 und 9. Damit werden nun auch die „wesentliche Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens des Verbrauchers“ und die „geschäftliche Entscheidung“ definiert.

Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen

In § 3 UWG wird weiterhin das Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen geregelt. Hier erfährt man, was unter unlauteren Geschäftshandlungen verstanden wird und dass diese unzulässig sind. Da der Gesetzesaufbau des § 3 in der Vergangenheit für viel Verwirrung sorgte, soll dieser nun etwas einfacher gestaltet werden. Deshalb wurden hier einige systematische Änderungen vorgenommen. Aus den bisherigen drei Absätzen werden nun vier.

Die in Absatz 1 enthaltende Generalklausel lautet nun:

„Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.“

Hier fällt auf, dass da im Vergleich zur Altregelung der Zusatz mit den „spürbaren Beeinträchtigungen“ fehlt. Die Gesetzesbegründung führt dazu aus, dass „damit klarer zwischen den Voraussetzungen der Unlauterkeit einerseits und der Rechtsfolge der Unzulässigkeit andererseits unterschieden wird.“ Da das nicht ohne weiteres zu verstehen ist, kommt hier die Auflösung: Bislang hatte § 3 Absatz 1 eine Doppelfunktion. Zum einen sagte uns dieser, was mit Geschäftspraktiken passiert, die unlauter sind: Sie sind unzulässig (Rechtsfolge). Zum anderen galt dieser als Generalklausel in allen Fällen unlauterer Verhaltensweisen, die das UWG nicht explizit geregelt hatte (Tatbestand). Diese Doppelfunktion wird nun aufgeteilt. Absatz 1 benennt nun nur noch die Rechtsfolge der Unlauterkeit. Ob eine geschäftliche Handlung im Einzelfall unlauter ist, ergibt sich nun entweder aus den Spezialtatbeständen der §§ 4a ff. oder aus den Generalklauseln der Absätze 2 und 3 des § 3. Unlautere geschäftliche Handlungen sind nach der Neufassung des Absatzes 1 nun also schon von der Definition her unzulässig, ohne dass weitere Umstände – wie z.B. die spürbare Beeinträchtigung – hinzutreten müssen. Das Relevanz- bzw. Spürbarkeitskriterium verschwindet damit aber nicht. Es wird in Zukunft bei der Prüfung der Unlauterkeit einer geschäftlichen Handlung (§ 3 Abs. 2 bis § 7) zu berücksichtigen sein. Das ergibt sich auch aus den jeweiligen Normtexten. Da diese Neugestaltung dem ohnehin schon vorherrschenden Verständnis entspricht, ergeben sich damit jedoch keine Änderungen in der Rechtspraxis.  Die Änderung dient lediglich dem einfacheren systematischen Verständnis.

Dementsprechend neu gestaltet wurde  auch § 3 Abs. 2. Dort heißt es nun:

„Geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, sind unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen.“

Damit beinhaltet Absatz 2 weiterhin die Generalklausel hinsichtlich geschäftlicher Handlungen mit Verbraucherbezug. Die Verkürzung dieses Absatzes macht den Bezug zur „europäischen“ Generalklausel des Art. 5 der hier umgesetzten UGP – Richtlinie deutlich, welche ebenfalls nur den Verbraucherschutz erfasst.

Die vormals in Absatz 2 enthaltene Beurteilung von geschäftlichen Handlungen wird aus diesem herausgenommen und ausführlich in einem neu eingefügten Absatz 4 geregelt. Inhaltlich bleibt die Regelung jedoch unverändert. Somit regelt dieser neue Absatz weiterhin, dass die Beurteilung der Frage, wann eine geschäftliche Handlung als unlauter einzustufen ist, aus der Sicht eines durchschnittlichen Verbrauchers vorzunehmen ist. Die Regelung in einem eigenen Absatz erfüllt lediglich den Zweck klarzustellen, dass es sich bei diesem Grundsatz um einen allgemeinen Maßstab handelt, der nicht nur im Rahmen der Generalklausel des Abs. 2, sondern auch für die Spezialtatbestände (§§ 4aff.) Anwendung findet. Mit anderen Worten: Der dort genannte Maßstab gilt für alle Fälle unlauteren Verhaltens.

§ 3 Absatz 3 bleibt dagegen unverändert.  Auch nach der Reform wird hier auf den Anhang verwiesen, in dem sich eine Auflistung von stets unzulässigen Geschäftshandlungen findet (sog. „Black List“). Der Anhang selbst wird dagegen geändert. In Umsetzung der Rechtsprechung des EuGH zu Schneeball- oder Pyramidensystemen wurde das Merkmal des „finanziellen Beitrages“ in Nr. 14 eingefügt. Ein derartiges System stellt nämlich nur dann unter allen Umständen eine unlautere Geschäftspraxis dar, wenn vom Verbraucher ein finanzieller Beitrag gleich welcher Höhe im Austausch für die Möglichkeit verlangt wird, eine Vergütung zu erzielen, die hauptsächlich durch die Einführung neuer Verbraucher in ein solches System und weniger durch den Verkauf oder Verbrauch von Produkten zu erzielen ist.

Rechtsbruch

Der Rechtsbruch (ehemals § 4 Nr. 11 UWG) wird nun durch den neu geschaffenen § 3a UWG geregelt. Inhaltlich geht es nach wie vor darum, dass sich Marktteilnehmer keine Vorteile verschaffen dürfen, indem sie durch ihr Verhalten gegen Rechtsnormen verstoßen, die gerade das Marktverhalten regeln (Marktverhaltensnormen). Dies können neben den Regelungen des UWG bspw. auch datenschutzrechtliche Normen sein, wie aus einer Entscheidung des OLG Hamburg hervorgeht. Wesentliche Veränderungen in der Rechtspraxis ergeben sich durch die systematische Verschiebung aber nicht.

Mitbewerberschutz

Eine umfangreiche Änderung hat dagegen der § 4 UWG erfahren. Während in der Altfassung hier eine beispielhafte Auflistung unlauterer geschäftlicher Handlungen normiert war,  werden nun ausschließlich die Fälle des Mitbewerberschutzes (ehemals § 4 Nrn. 7 bis 10 UWG) geregelt. Geschützt werden hier die Wettbewerber vor Herabsetzung, Verunglimpfung oder Nachahmung insbesondere ihrer Kennzeichen, Waren etc. oder vor Schädigung und gezielter Behinderung durch Mitbewerber. Die weiteren Fälle des „alten“ § 4 werden in den nachfolgenden Paragraphen (§§ 4a, 5 und 5a UWG) untergebracht oder – wie im Fall des generellen Verbotes der Kopplung von Gewinnspielen mit Umsatzgeschäften (ehemals Nr. 6) – auf Grund der vom EuGH festgestellten Europarechtswidrigkeit – ersatzlos gestrichen.

Aggressive geschäftliche Handlungen

Als Konkretisierung der Art. 8 und 9 UGP-RL wurde § 4a UWG neu eingefügt. Dieser regelt die „aggressiven geschäftlichen Handlungen“ gegenüber Verbrauchern und anderen Marktteilnehmern und ergänzt die bisher bestehenden Regelungen des „alten“ § 4 Nr. 1 und 2 UWG. Unter aggressiven Verhaltensweisen werden die Belästigung, die Nötigung oder die unzulässige Beeinflussung verstanden, die auf vielfältige Arten und Weisen auftreten können. Beispielhaft seien hier nur die Drohung mit einem Schufa-Eintrag (BGH, Urt. v. 19.03.2015 – I ZR 157/13) oder die in den Nr. 25-30 der Black List aufgeführten Verhaltensweisen genannt.

Irreführende geschäftliche Handlungen

Die Unlauterkeit irreführender geschäftlicher Handlungen wird nach wie vor in § 5 UWG geregelt. Neu ist hier jedoch die Klarstellung, dass die geschäftliche Handlung geeignet sein muss, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

Auch die Irreführung durch Unterlassen, d.h. das Irreführen durch das gezielte Weglassen von Informationen, – geregelt in § 5a UWGwird dem Grunde nach nicht angetastet. Nach Absatz 2 handelt weiterhin unlauter, wer wesentliche Informationen vorenthält. Neu ist die detailliertere Ausgestaltung dieses Absatzes. Dieser orientiert sich näher an Art. 7 UGP-RL und stellt weitere, bisher nicht ausdrücklich geregelte Merkmale dem Vorenthalten gleich. Damit gelten nun als Vorenthalten auch das Verheimlichen wesentlicher Informationen, die Bereitstellung wesentlicher Informationen in unklarer, unverständlicher oder zweideutiger Weise und die nicht rechtzeitige Bereitstellung wesentlicher Informationen. Die Absätze 3 und 4 regeln unverändert, welche Informationen als wesentlich anzusehen sind.

Für die Beurteilung der Frage, ob Informationen vorenthalten werden oder nicht, nennt der neu geschaffene Absatz 5 einige Umstände, die es zu berücksichtigen gilt. Danach sind nicht nur die (räumlichen oder zeitlichen) Beschränkungen des Kommunikationsmittels, sondern auch alle Maßnahmen des Unternehmers zu berücksichtigen, die dieser getroffen hat, um dem Verbraucher die (wesentlichen) Informationen anderweitig zur Verfügung zu stellen. Interessant ist die Regelung für alle Fälle, in denen Kommunikationsmittel nicht über ausreichenden Platz verfügen, um sämtliche nach § 5 Absatz 3 und 4 wesentlichen Informationen dort unterzubringen und aus diesem Grund in deutlicher Weise z.B. auf eine Internetseite verwiesen wird. Leider geht aus dem Gesetz  nicht hervor, welche Fälle von dieser Regelung erfasst sein sollen. Orientiert man sich an der Gesetzesbegründung und den dort verwendeten Formulierungen „Werbeanzeige“ und „Werbezettel“, so spricht das eher dafür, dass der Gesetzgeber ausschließlich die Print- und eben nicht die Online-Werbung im Sinn hatte. Es bleibt also abzuwarten, welches Verständnis die Rechtsprechung dieser Norm zugrunde legt.

Ändert sich dadurch jetzt auch die Rechtspraxis?

Nein, voraussichtlich nicht, da die Änderungen zunächst einmal keine wesentlichen inhaltlichen Neuerungen enthalten. Die stärkere Orientierung an den Vorgaben der UGP-RL dient überwiegend der Klarstellung. Die Rechtsprechung hält sich ohnehin bereits an die Vorgaben der UGP-RL, so dass insofern keine Änderung der Rechtsprechungspraxis zu erwarten ist.

Darüber hinaus wurde eine im Referentenentwurf enthaltene und ähnlich dem § 3 Abs. 2 formulierte  Generalklausel für Handlungen, die die Interessen der Mitbewerber betreffen, nicht normiert. Deshalb wird in diesen Fällen weiterhin der generell formulierte § 3 Abs. 1 UWG zur Anwendung kommen. Dieser fungiert dann – wie bisher – quasi als „Ersatznorm“.Die mit der Einführung des § 5a Absatz 5 aufkommende Frage, was genau unter den dort genannten „Kommunikationsmitteln“ zu verstehen ist, wird im Hinblick auf eine Anwendung im Bereich der Online-Werbung von der Rechtsprechung zu klären sein. Ob und wann es zu einer gerichtlichen Klärung kommt, steht derzeit noch in den Sternen. Der Gesetzgeber hat es leider versäumt hier eine klarstellende Formulierung zu treffen.

Fazit

Viel Kosmetik, aber kaum Sanierung. Anderes war aber auch nicht zu erwarten, wollte der Gesetzgeber doch lediglich das UWG stärker an die ohnehin schon geltende europäische Richtlinie sowie die Rechtsprechung des EuGH anpassen. Dies ist ihm im Wesentlichen auch gelungen. Zudem erscheinen die allgemeinen Bestimmungen des UWG nun geordneter und übersichtlicher. Inhaltlich beschränken sich die Änderungen lediglich auf vereinzelte Neuregelungen. Die für die Praxis wohl relevanteste Neuerung betrifft das Vorenthalten von Informationen durch den Einsatz von Kommunikationsmitteln mit beschränktem Platz für (Verbraucher-) Informationen. Wesentliche Veränderungen für die Praxis sind zunächst jedoch nicht zu erwarten.

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Nina Diercks (M.Litt, University of Aberdeen) arbeitet seit 2010 als Rechtsanwältin. Sie führt die Anwaltskanzlei Diercks in Hamburg. Die Anwältin berät und vertritt Unternehmen bundesweit, ist jedoch ausschließlich im IT-| Medien-| Datenschutz und Arbeitsrecht tätig. Daneben steht die Nina Diercks gern und oft als Referentin auf der Bühne sowie als Interviewpartnerin und Gastautorin zur Verfügung. Dazu hat sie im Jahr 2010 diesen Blog (früher: Social Media Recht Blog) ins Leben gerufen. Mehr

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