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Der #Berufseinstieg als #Rechtsanwalt (m/w/d) – Wie das als selbstständige, spezialisierte Anwältin?

Auf Bluesky (ihr wisst schon, dem Twitter ohne Musk, Pornbots und russisch-chinesischen Hetzfarmen) haben die Kolleg*innen Christian Koch und Dr. Miriam Vollmer die Reihe „Wie kann der Berufseinstieg als Rechtsanwältin aussehen?“ initiert. Inzwischen haben sich weitere Kolleg*innen angeschlossen. Auf diese Weise entsteht ein buntes Bild des vielfältigen Berufes und Berufseinstiegs als Anwältin.

Natürlich wollte ich dann auch dazu beitragen und einen „kurzen“ (haha) Thread schreiben. Das ist nicht so ganz gelungen. Es wurde mal wieder länger. Aber da der Thread den Reaktionen nach trotz erheblicher Länge recht lesbar ist und ich vermute, dass der Weg in die Anwaltschaft auch hier die bzw. den eine*n oder anderen jungen mitlesenden Kolleg*in to be interessiert (oder auch einfach meine Leser*innen;) ), schubse ich den Thread vom 04.07.2024 nun einfach auch einmal hier rein.

Viel Spaß beim Lesen!

So. Dann wollen wir mal. Bei mir geht es nun um einen Berufsanfang als spezialisierte, selbstständige Anwältin. Funfact: Nichts lag mir in all den Jahren meiner Ausbildung ferner als einmal selbstständige Anwältin zu werden. Jetzt sage ich: ICH LIEBE ES! 🙂  #Rechtsanwalt #Rechtsanwältin #Einstieg #Jurabubble #Babyjurers

Vorab noch schnell der Hinweis: Auch @datenundfirlefanz.bsky.social hat von ihrem Einstieg als Angestellte in der Boutique und @nerdanwalt.legal von seinem Start als selbstständiger, eben, Nerdanwalt erzählt. Alles lesenswert und es zeigt, wie bunt der Anwaltsberuf ist!

Nun aber wirklich los! Kurz zum Werdegang: Klar, Jura studiert. Nebenbei aber immer gearbeitet, als Redaktions- und Projektassistenz, lange in einer PR-Abteilung, später Marketing-Assistenz. Dabei wurde vor allem deutlich: Es gibt einen Kommunikationsgraben zwischen Jurist*innen und den anderen.

Meine Schlussfolgerung: Nur weil Jurist*innen so wahnsinnig schlecht kommunizieren, also in ihrem Jura-Deutsch verbleiben und nur Probleme aufzeigen, statt Lösungen anzubieten, werden sie oft erst zum Schluss eines Projektvorhabens gefragt und stehen dann als die doofen Verhinderer dar.

Dass Juristen nur selten Lösungen anbieten, liegt sehr oft daran, dass sie weder verstehen, was die wirtschaftlichen Ziele noch die technischen Begebenheiten eines Projektvorhabens (in digitalen Welten) sind.  Ich dachte mir,  das geht anders. Das muss anders gehen!

Also, flugs den Social Media Recht Blog irgendwann 2010 ins Leben gerufen und angefangen, für Marketing-, PR und HR-Menschen verständlich über rechtliche Probleme zu schreiben. Das kam ziemlich gut an. Denn das machten nur sehr wenige Menschen. Und Social Media war der neue heiße Sch**ß der Zeit.

Dass ich sofort als Einzelanwältin gestartet bin, ist wahr aber trotzdem gelogen. Wie gesagt, das war ja gar nicht mein Ziel. Ich kam aber 2010 in den Nachwehen der Weltwirtschaftskrise von 2008 auf diesen Markt. Da gab es fast nüscht. Eine Kanzlei für Urheber- und Medienrecht stellte mich aber ein. Hurra!

Schnell stellte sich heraus, dass ich dort nichts anderes machen würde als Filesharing-Angelegenheiten. Wenn ich nicht abends  Blogartikeln geschrieben oder mich auf spannenden Netzwerkveranstaltungen herumgetrieben hätte, wäre ich wohl – trotz 3jähriger Tochter – binnen drei Monaten dem Boreout erlegen.

Über den Blog und meine Vorträge kamen die ersten Mandate. Die musste ich natürlich über die Kanzlei abwickeln. Als ich meinem Chef dann Vorschlug, diesen zukunftsträchtigen Bereich auszubauen, selbstverständlich unter der Voraussetzung,…

…dass meine abendliche Arbeitszeit als solche angesehen und die festen Arbeitszeiten von 9-13 Uhr und von 14-18 Uhr (WHYYYY?!) für mich nicht mehr gelten, kam als Antwort: „Wie stellen Sie sich das denn vor!? Wie soll ich das den anderen vermitteln?“ Tja, lieber Chef, das ist nicht mein Problem.

Und so wurde der Chef nach 12 Monaten zum Ex-Chef. Denn einen aufblühenden, neuen Markt wahlweise liegenlassen zu müssen bzw. nur in meiner Freizeit aufbauen „zu dürfen“, um dann das damit verdiente Honorar dem Chef überlassen zu müssen, erschien mir nicht ganz schlüssig.

Und nun begann das Abenteuer. Und wir kommen zu meinem eigentlichen Punkt, nämlich kann man sich auch als „Wirtschaftsspezialist“ sofort und kostendeckend bzw. mehr noch gewinnbringend selbstständig machen? Ja, man kann! Ihr braucht nur diese 10 Punkte berücksichtigen (ha, ha, sounds like Clickbait 😂):

1. Businesscase! – Was wird auf dem Markt gebraucht? Was könnt ihr besonders gut? Und nein, damit meine ich nicht, worin ihr juristisch besonders gut seid, sondern von welchem Thema ihr Ahnung habt bzw. es Euch interessiert. Versteht ihr was Energiepolitik und den technischen Grundlagen? Go for it!

2. Kenntnis von unternehmerischen Grundlagen! – Ok. Eigentlich nur von einer einzigen, nämlich: E > A. Das heißt, dass die Einnahmen immer größer als die Ausgaben sein müssen. Klingt selbstverständlich. Aber die meisten Anwältinnen scheinen das zu verdrängen. Wie @metalanwalt.bsky.social sagt: In den Kosten liegt die Musik.

3. Überblick über Kosten und Liquidität haben! – Das ist ganz einfach: A) Erstellt einen Kostenplan. B) Einnahmen C) Was habt ihr an Steuern zu zahlen? Das addiert und subtrahiert, stellt Eure Liquidität dar. Woher ihr das alles wissen sollt? Wieder ganz einfach:

  • Zu A) Ihr schreibt alle möglichen Kosten von RAK, Versicherungen über IT-Ausstattungen, Beck-Online, Steuerberaterkosten, Rücklage (für IT die kaputtgeht etc.) bis hin zu Kosten für das Klopapier auf. Dann kennt ihr Euren monatlichen Kostenblock.
  • Zu B). Natürlich wisst ihr am Anfang nicht was reinkommt! Aber ihr müsst (!) Euch doch ausrechnen, was ihr für eine schwarze Null braucht und was ihr verdienen (dabei müsst ihr C) berücksichtigen) wollt! Nur so erhaltet ihr den Betrag, der monatlich netto auf dem Konto an Einnahmen landen muss und habt Euer Ziel, an dem ihr arbeiten könnt. –
  • Ein wichtiger Zwischenruf. Ihr seid Unternehmer*in. Ihr rechnet nur in NETTO bei Eingangs- und Ausgangsrechnungen. Umsatzsteuer ist – verdammt nochmal – ein durchlaufender Posten und nicht Euer Geld! (Ja, daran sind schon erstaunlich viele gescheitert.) –
  • Damit sind wir bei C) Steuern. Zu den Umsatzsteuern hab ich schon was gesagt. Es gibt aber auch noch die Einkommenssteuer. Diese ist fortlaufend auf Basis der monatlichen Einnahmen und Kosten zu berechnen und auf das Jahr hochzurechnen. Sobald die Hochrechnung Einkommensteuerzahlungen anzeigt, sind diese zurückzulegen!
  • Wenn Euch das alles schon zu kompliziert klingt: Dann lasst es mit der Selbstständigkeit. Nicht jeder Anwalt ist ein guter Unternehmer. Das ist völlig okay

4. Aufgaben externalisieren! – Natürlich kann man die Buchhaltung und Steuern selber machen oder eine Webseite programmieren. Sinnvoll ist das in den seltensten Fällen. Steuerberater sind gerade am Anfang bei geringen Umsätzen sehr günstig. Unterstützung beim Aufbau von WordPress-Seiten u.ä. ist ebenfalls preiswert zu haben. 1

5. Akquirieren –  Ihr fragt Euch immer noch, wo die verdammten Einnahmen herkommen sollen. Versteh ich. Statt stundenlang über Steuern zu sitzen oder an einer Homepage zu frickeln, könnt (müsst!) ihr die Zeit lieber in Eure Akquise investieren (nein, niemand wird Euch beauftragen, nur weil ihr eine Seite im Internet habt

6. Ackern! – Ja, Selbstständigkeit ist, gerade am Anfang kein Zuckerschlecken. Es geht nur mit viel Einsatz und viel Arbeit. Und damit ist am Anfang nicht zwingend die bezahlte juristische Arbeit gemeint. Sondern eben auch die Nächte beim Schreiben von Artikeln oder bei Veranstaltungen.

7. Ihr braucht Grundtugenden. Klingt banal. Ist aber so. Zuverlässigkeit, Genauigkeit, Transparenz, Verständlichkeit. Und zwar in der Kommunikation wie der Abwicklung der Mandate. Das meint nicht, dass ihr 24/7 Gewehr bei Fuß stehen müsst. Überhaupt nicht. Aber ihr müsst transparent sein. Wenn ihr das Mandat nicht – wie angekündigt – bis zum Ende der Woche schafft, ruft an, teilt das mit bzw. fragt, ob Montagabend auch reicht. In der Regel reicht es!

8. Kommuniziert im Mandat verständlich!– Wenn ihr einen Bau-Ing oder einen Informatiker als Ansprechpartner beim Mandanten habt, dann müsst ihr ganz anders kommunizieren als bei einem Justiziar. Ihr müsst komplexe Rechtsfragen verständlich und nachvollziehbar aufbereiten.

9. Bietet Lösungen im Mandat! – Es genügt nicht, das Problem aufzuzeigen. Ihr müsst Lösungswege anbieten! Kein Mensch braucht einen Anwalt, der immer nur sagt „Das geht nicht!“ (scheinbar arbeiten auch heute, wie ich immer wieder von Mandanten höre, noch viele Kolleg*innen so.)

10. Habt Spaß! – Ihr müsst Euch eine Nische suchen, an der ihr fachlich wie tatsächlich thematisch Freude habt. Dann werdet ihr gut sein. Wenn alle sagen „Macht Datenschutz & KI!“, weil das gerade ziemlich hipp ist, dann nützt das gar nichts, wenn es Euch zu Tode langweilt.Ihr habt Lust auf Beamtenrecht und habt damit schon x-tausend Berührungspunkte, weil ihr mal einer wart oder Eure ganze Familie aus Beamten besteht. Go for it!

So. Das waren meine 10 Tipps. Ich könnte es noch einmal genauso lang halten, warum es das Beste überhaupt ist, sich selbstständig zu machen. Ich versuche es jetzt mal in kurz:

1) Es kostet (fast) nix! @metalanwalt.bsky.social schrieb schon davon, dass man sich kaum günstiger als als Anwalt selbstständig machen kann. Dem stimme ich voll und ganz zu! Dazu gibt es immer noch, wenn auch nicht mehr so hoch, wie damals bei mir, Förderungen für den Aufbau einer Selbstständigkeit. Nehmt die mit!

2) Ja, der Anfang ist KEIN Ponyhof. Aber von Beginn an, weiß man, warum und wofür man das alles macht. Für niemand anderen als man selbst. Diese Selbstwirksamkeit bringt einen auch immer wieder über die langweiligen, organisatorischen Fragen der Selbstständigkeit.

3) Die Möglichkeit, alles selbst entscheiden zu können, bietet die große Freiheit. Man muss nicht mit bestimmten Mandanten arbeiten, nicht zu bestimmten Uhrzeiten, keine bestimmten Anzahlen von Billables. Es ist ein freier Beruf. Im wahrsten Sinne des Wortes.

4) Die Möglichkeit alles selbst entscheiden zu müssen, ist nicht immer toll. (Gras is always greener on the other side). Aber ich kann mir für mich keine bessere Art zu arbeiten vorstellen.

 

Last but not least. Das ist mein Weg gewesen. Er führte dazu, dass ich in den ersten 9 Monaten einen Umsatz von 60.0000 EUR machen konnte. 60.000 EUR in 9 Monaten ist wenig,  wenn man sich direkt die schicke Alstervilla mietet, USM-Möbel kauft und den 5er BWM least.

60.000 EUR sind sehr viel Geld für 9 Monate, wenn man kaum Kosten hat und noch wenig Steuern zahlt. Ich konnte damals sehr gut davon leben. 🙂

Was nach den 9 Monaten passierte? Dann ging ich in Elternzeit. Denn an Tag 2 nach meiner Kanzleigründung kündigte sich meine 2. Tochter an. 😉

In diesem Sinne,

viel Spaß beim Einstieg in den Anwaltsberuf!

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Nina Diercks (M.Litt, University of Aberdeen) arbeitet seit 2010 als Rechtsanwältin. Sie führt die Anwaltskanzlei Diercks in Hamburg. Die Anwältin berät und vertritt Unternehmen bundesweit, ist jedoch ausschließlich im IT-| Medien-| Datenschutz und Arbeitsrecht tätig. Daneben steht die Nina Diercks gern und oft als Referentin auf der Bühne sowie als Interviewpartnerin und Gastautorin zur Verfügung. Dazu hat sie im Jahr 2010 diesen Blog (früher: Social Media Recht Blog) ins Leben gerufen. Mehr

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