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Mitbestimmung des Betriebsrats bei Einrichtung und Betrieb einer Facebook-Seite – Zum Beschluss des BAG vom 13.12.2016 (1 ABR 7/15)

Mitarbeit: Christian Frerix*

Zugegeben, die Entscheidung des BAG ist inzwischen schon eine Weile her. Da diese Entscheidung aber für alle Unternehmen, die eine moderne digitale Kommunikation betreiben und über einen Betriebsrat verfügen, doch wesentlich ist, habe ich dieses Thema doch endlich noch einmal für die Leser aufbereiten wollen. Also, los.

Viele Unternehmen nutzen die sozialen Netzwerke um sich als Unternehmen, als Arbeitgeber und/oder um die eigenen Produkte und Dienstleistungen vorzustellen. Im Gegensatz zur Webseite, welche eine kommunikative Einbahnstraße ist, vermittelt Social Media bekanntermaßen  die Möglichkeit der Interaktion der Nutzer mit dem Unternehmen und damit auch eine gewisse Nähe zum Unternehmen. Aus Sicht der Kommunikation bzw. des (Personal-)Marketing  ist das natürlich hervorragend.

Etwas weniger hervorragend könnte das Ganze aus Arbeitnehmersicht sein, wenn die Interaktion Rückschlüsse auf das Verhalten oder die Leistung einzelner Arbeitnehmer zuließe. – Sie runzeln gerade ihre Stirn? Ja. Verstehe ich. Aber eben hierauf entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) per Beschluss am 13.12.2016 entschieden (1 ABR 7/15). Der mediale und juristische Aufschrei als Reaktion war zwar groß, doch… es ist wie es ist:

Nach dem BAG hat der Betriebsrat bei der Einrichtung einer Facebook-Seite durch den Arbeitgeber ein Mitbestimmungsrecht.  

Worum geht’s überhaupt? – Sachverhalt

Die Arbeitgeberin, ein Blutspendedienst mit ca. 1300 Arbeitnehmern, unterhält zur einheitlichen Präsentation des Konzerns auf Facebook eine sog. Unternehmensseite. Vergleichbar mit der „persönlichen“ Facebook-Seite eines einzelnen Nutzers können registrierte Nutzer auch hier über die von Facebook bereitgestellten Kommunikationsmittel interagieren. Dabei können Beiträge kommentiert, geliked und geteilt oder auch Bewertungen des Unternehmens vorgenommen werden. Diese Handlungen werden dabei üblicherweise auf der öffentlich einsehbaren Startseite des Unternehmens angezeigt. Die Betreuung der Unternehmensseite erfolgte hier durch eine Gruppe von etwa zehn Arbeitnehmern. Diese sollten Beiträge einstellen, auf Nutzer-Kommentare reagieren und diese ggf. auch löschen. Eine Identifikation der einzelnen „Betreuer“ war zum Ende des Gerichtsverfahrens nicht mehr möglich, da zentrale Administratorenkennungen verwendet wurden. Warum das wichtig ist? Dazu später…

Neben den „Betreuern“ einer Seite können auch deren Besucher eigene Beiträge veröffentlichen („posten“), wenn der Betreiber der Unternehmensseite die von Facebook bereitgestellte, optionale Funktion „Besucher-Beiträge“ aktiviert. Auch diese Beiträge werden dann öffentlich einsehbar auf der Startseite angezeigt und können wiederum von anderen Nutzern geteilt, geliked oder kommentiert werden. Was dieser Facebook-Crashkurs hier soll? Nun, der Blutspendedienst – wie sollte es jetzt auch anders sein – hatte die Funktion „Besucher-Beiträge“ aktiviert und so kam, was kommen musste. Kurz nach der Freischaltung tauchte bereits der erste kritische Kommentar eines Nutzers auf:

„Ich war am 14. April 2013 in N. mein kostbares abzapfen lassen. Gehe schon spenden seit ich 18 bin. Muss aber sagen die gestern die Nadel gesetzt hat, solle es noch lernen. Stechen kann die nicht.“

In der Folge wurde ein weiterer Kommentar über einen Arzt verfasst, dem vorgeworfen wurde, er habe die Untersuchung vor der Blutabnahme nicht regelgerecht vorgenommen. Daraufhin sei eine ältere Spenderin beinahe kollabiert und habe per Infusion stabilisiert werden müssen.

Insbesondere diese kritischen Kommentare veranlassten die Mitarbeiter, sich an den Konzernbetriebsrat zu wenden. Dieser machte daraufhin gegenüber dem Arbeitgeber geltend, dass mithilfe der Facebook-Seite eine Mitarbeiterüberwachung möglich ist, weil sich leicht herausfinden ließe, welcher Arbeitnehmer wann und wo eingesetzt war. Da im Falle des Einsatzes technischer Überwachungsmittel aber ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bestehe, durfte die Facebookseite ohne dessen Mitwirkung weder ins Leben gerufen noch betrieben werden. Ein Verstoß dagegen müsse hier deshalb zur Abschaltung der Facebook-Seite führen, hilfsweise müsste der Arbeitgeber aber jedenfalls verpflichtet werden, es zu unterlassen, den Nutzern die Seite zur Übermittlung von Informationen zur Verfügung zu stellen, solange keine Zustimmung des Konzernbetriebsrats vorliege. Vereinfacht gesagt: Entweder sollte die Unternehmensseite komplett abgeschaltet werden oder es sollte wenigstens die Funktion „Besucher-Beiträge“ solange abgeschaltet werden müssen, bis eine Einigung über deren Einsatz mit dem Betriebsrat zustande kommt. Nicht erwähnenswert ist, dass die Arbeitgeberin das Bestehen eines Mitspracherechts anzweifelte, so dass letztlich die Gerichte zu entscheiden hatten. Nachdem zunächst das ArbG Düsseldorf zugunsten des Betriebsrats entschieden hatte (Abschaltung der Seite) und das LAG Düsseldorf mit Beschluss vom 12.1.2015 (9 TaBV 51/14) anschließend zugunsten der Arbeitgeberin (weder Abschaltung der Seite noch der Beitrags-Funktion), war man noch keinen Schritt weiter. Klarstellung erhoffte man sich daher vom BAG.

Was ist das Problem? – Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats

Zum Ausgleich der strukturellen Ungleichgewichtsverhältnisse, die zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern bestehen, versucht der Betriebsrat die Interessen letzterer gegenüber ersterem durchzusetzen. Zu seinen Aufgaben gehören nach § 80 BetrVG neben weiteren insbesondere die Durchsetzung der Gleichstellung von Mann und Frau, die Beschäftigungsförderung und –sicherung im Betrieb oder das Wachen über die Einhaltung geltender Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durch den Arbeitgeber. Zur effektiven Wahrnehmung dieser Aufgaben überträgt das BetrVG dem Betriebsrat Rechte, zu denen auch die in § 87 Abs. 1 BetrVG verankerten Mitbestimmungsrechte gehören. Diese sollen die einseitige Durchführung von Maßnahmen und/oder die einseitige Aufstellung von Bestimmungen durch den Arbeitgeber verhindern. Wird der Betriebsrat trotz bestehender Mitwirkungsrechte nicht beteiligt, steht ihm – obwohl das aus dem Wortlaut des § 87 BetrVG nicht hervorgeht – nach ständiger Rechtsprechung ein Anspruch auf Unterlassen der mitbestimmungswidrigen Maßnahme zu. Oder anders gesagt: Darf der Betriebsrat nicht mitspielen, wird überhaupt nichts gespielt.

Mitbestimmung bei Fragen der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer

Vor dem LAG Düsseldorf wurde noch geltend gemacht, dass sich ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ergebe, wenn die Eröffnung und der Betrieb der Unternehmensseite Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb berühren. Denn an der Gestaltung des “betrieblichen Zusammenlebens und Zusammenwirkens der Arbeitnehmer im Betrieb“ sollen diese gleichberechtigt teilhaben. Wer sich nun jedoch fragt, was die Nutzung einer Facebook-Seite mit dem Ordnungsverhalten der Mitarbeiter zu tun hat, kommt wohl zum selben Ergebnis wie das LAG Düsseldorf: Gar nichts.

Anders wäre dies allenfalls dann, wenn die Nutzung der Unternehmensseite im Rahmen einer Social-Media-Guideline o.Ä. geregelt wäre, welche Ordnungsregelungen des Zusammenlebens und –wirkens der Arbeitnehmer im Betrieb enthielte. Dann müsste sich die Regelung aber gerade auf den Umgang mit der Unternehmensseite und nicht – wie im vorliegenden Fall – auf eine allgemeine Nutzung sozialer Medien beziehen. Einfach gesagt: Wird nicht der Umgang mit der konkreten Unternehmensseite geregelt, kann an dieser nicht vorhandenen Regelung auch kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG bestehen.

Mitbestimmung bei technischen Überwachungseinrichtungen

Damit hatte das BAG letztlich „nur“ noch die Frage zu entscheiden, ob bei der Eröffnung und dem Betreiben der Facebook-Seite ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bestand. Für alle, die den Gesetzeswortlaut jetzt nicht gerade im Kopf oder vor Augen haben:

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:

[…]

  1. Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;

Da eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht bestand, stellte sich somit die zentrale Frage, ob die Unternehmensseite bei Facebook eine zur Mitarbeiterüberwachung bestimmte, technische Einrichtung ist. Dies hätte zur Folge, dass ein rechtmäßiger Einsatz durch den Arbeitgeber zwingend von der Mitbestimmung des Betriebsrats abhinge. Bevor jedoch geklärt werden kann, ob ein derartiges Mitbestimmungsrecht überhaupt besteht, muss zunächst gefragt werden, für welche konkrete Maßnahme ein solches bestehen soll. Aus diesem Grund differenziert das BAG zwischen der Unternehmensseite als solcher und der Unternehmensseite mit aktivierter „Besucher-Beiträge“-Funktion.

Mitbestimmung bei der Unternehmens-Seite „an sich“

Angenommen, die Unternehmensseite wäre „an sich“ eine zur Mitarbeiterüberwachung bestimmte, technische Einrichtung, ergäbe sich hieraus ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Verstieße der Arbeitgeber hiergegen, entstünde zu dessen Gunsten ein Anspruch auf Unterlassung der mitbestimmungswidrigen Maßnahme – hier das Betreiben der Unternehmensseite. Im Klartext hieße das dann: Die Seite muss weg. Nach Ansicht des BAG besteht ein solcher Anspruch jedoch nicht.

Ausgehend vom Sinn des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG sollen Eingriffe in den Persönlichkeitsbereich der Arbeitnehmer durch Verwendung anonymer technischer Kontrolleinrichtungen nur bei gleichberechtigter Mitbestimmung des Betriebsrats zugelassen werden. Gerade technische Einrichtungen können nämlich auch unbemerkt in denjenigen Persönlichkeitsbereich des Arbeitnehmers eindringen, der einer Überwachung grundsätzlich nicht zugänglich ist. Das birgt die Gefahr in sich, dass der Arbeitnehmer zum Objekt einer Überwachungstechnik gemacht wird, der er sich nicht entziehen kann. Das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers wird bei einer technisierten Ermittlung von Verhaltens- und Leistungsdaten wegen der – gegenüber einer Überwachung durch Menschen – ungleich größeren Möglichkeit zur durchgehenden Datenverarbeitung daher besonders gefährdet.

Das bedeutet jedoch noch nicht, dass allein der Betrieb einer technischen Einrichtung wie der Unternehmensseite bei Facebook eine Überwachung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG darstellt. Unter „Überwachung“ wird zunächst ein Vorgang verstanden, durch den Informationen über das Verhalten oder die Leistung von Arbeitnehmern erhoben und – jedenfalls in der Regel – aufgezeichnet werden, um sie auch späterer Wahrnehmung zugänglich zu machen. Die Informationen müssen auf technische Weise ermittelt und dokumentiert werden, so dass sie zumindest für eine gewisse Dauer verfügbar bleiben und vom Arbeitgeber herangezogen werden können. Die Überwachung muss durch die technische Einrichtung selbst bewirkt werden. Dazu muss diese aufgrund ihrer technischen Natur unmittelbar die Überwachung vornehmen. Das setzt voraus, dass die technische Einrichtung selbst und automatisch die Daten über bestimmte Vorgänge erhebt, speichert und/oder verarbeitet. Ausreichend ist, wenn lediglich ein Teil des Überwachungsvorgangs mittels einer technischen Einrichtung erfolgt.

Weil danach viele technische Einrichtungen – wie auch das Betreiben einer Facebook-Seite – als Überwachungseinrichtungen in Betracht kommen, hat der Gesetzgeber eine weitere Voraussetzung normiert: Die Einrichtung muss auch zur Überwachung bestimmt sein. Das ist der Fall, wenn sie objektiv geeignet [ist], Verhaltens- oder Leistungsinformationen über den Arbeitnehmer zu erheben und aufzuzeichnen.

Während Stempeluhren, Videoanlagen, halb durchsichtige Spiegel oder auch Keylogger derartige Einrichtungen darstellen können, kommt das BAG hier zu dem Ergebnis, dass eine Unternehmensseite bei Facebook grundsätzlich nicht zur Leistungs- und/oder Verhaltensüberwachung einzelner im Konzern beschäftigter Arbeitnehmer bestimmt sei. Das gilt auch im Hinblick auf die mit der Betreuung der Seite eingesetzten Mitarbeiter, wenn diese schon auf Grund der Verwendung einer allgemeinen Administratorenkennung nicht identifizierbar sind. Rückschlüsse darauf, wer wann welchen Inhalt gepostet hat, lassen sich dann nämlich nicht ziehen. Folgerichtig ist die Unternehmensseite bei Facebook grundsätzlich keine technische Einrichtung, die dazu bestimmt ist, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Ein Mitbestimmungsrecht und folglich ein Anspruch auf Abschaltung der Seite bestehen also nicht.

Mitbestimmung bei Gestaltung der Unternehmensseite – die Funktion „Besucher-Beiträge“

Erstreckt sich das Mitbestimmungsrecht demnach nicht auf den generellen Einsatz einer Unternehmensseite auf Facebook, so nimmt das BAG ein solches in Teilen aber für die Gestaltung der Seite an. Genauer gesagt, stört es sich an der Aktivierung der Funktion „Besucher-Beiträge“.  Erfolgt diese, handelt es sich bei der Unternehmensseite nach Ansicht der Richter um eine technische, zur Leistungs- und Verhaltensüberwachung der Arbeitnehmer bestimmte Einrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, weil der Betreiber der Seite – hier also der Blutspendedienst – den Besuchern die Möglichkeit eröffnet, eigene Beiträge zu posten. Ah ja. Begründet wird das damit, dass – wie in unserem Fall – damit auch Beiträge veröffentlicht werden können, die nach ihrem Inhalt Rückschlüsse auf einzelne Mitarbeiter zulassen. Weil die Arbeitnehmer dann ständig damit rechnen müssten, dass leistungs- und/oder verhaltensbezogene Beiträge gepostet und für jeden öffentlich einsehbar gemacht werden, führe das zu einem „ständigen Überwachungsdruck“ der Arbeitnehmer und damit zu einem Verstoß gegen deren allgemeines Persönlichkeitsrecht. Und weil dieses Szenario ja gerade durch ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats verhindert werden soll, soll ein solches nun auch in diesem Fall bestehen.

Daran ändert auch nichts, wenn der Arbeitgeber die Seite gar nicht zur Überwachung nutzen will. Auf die subjektive Überwachungsabsicht des Arbeitgebers kommt es nämlich nicht an. Was zählt, ist die oben erwähnte „objektive Geeignetheit“. Und diese ist nicht erst gegeben, wenn Informationen mithilfe der technischen Einrichtung ausgewertet werden können, sondern bereits dann, wenn die technische Einrichtung diese auch sammeln kann. Und mit dem Sammeln ist hier nicht das „Copy & Paste“ von Beiträgen zu eigenen Speicherzwecken gemeint, sondern die dauerhafte Speicherung und unbegrenzte Zugriffsmöglichkeit auf der Facebook-Seite selbst. Schafft der Arbeitgeber also die Möglichkeit, dass Nutzer verhaltens- und/oder leistungsbezogene Beiträge veröffentlichen können und werden diese Beiträge dann durch Facebook derart gespeichert, dass der Arbeitgeber darauf problemlos zugreifen und diese auswerten kann, dann sei die technische Einrichtung „Facebook-Seite mit aktivierten Besucher-Beiträgen“ objektiv zur Überwachung geeignet und folglich hierzu „bestimmt“.

Zusammengefasst heißt das also, dass die Einrichtung und der Betrieb einer Unternehmensseite bei Facebook grundsätzlich nicht mitbestimmungspflichtig sind. Schafft der Betreiber jedoch eine Möglichkeit, dass auch Besucher der Seite Beiträge posten können, aus denen sich Rückschlüsse auf Verhalten und Leistung der Arbeitnehmer ziehen lassen, so soll ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bestehen. Wird dieses vom Arbeitgeber nicht beachtet, so besteht ein Unterlassungsanspruch des Betriebsrats, der darauf gerichtet ist, diese Möglichkeit solange zu deaktivieren, bis eine Einigung mit dem Arbeitgeber erzielt wurde. Das wird im Übrigen auch facebook-unabhängig für sonstige, vom Arbeitgeber eingerichtete Kommentarfunktionen auf Homepages, Blogs etc. gelten müssen. Klingt doch eigentlich ganz plausibel. Oder doch nicht?

Gut gemeint ist nicht auch gut gemacht

Jede noch so differenzierte juristische Betrachtung ist nicht viel wert, wenn sie nur „auf dem Papier“ zu einem – vermeintlich – gerechten Interessenausgleich führt. Dass der Beschluss in der praktischen Umsetzung mehr Fragen aufwirft, als er beantwortet, zeigt sich bereits aus der Begründung selbst. Das BAG stellt nämlich klar, dass die Ausführungen nicht für Beiträge von Facebook-Nutzern gelten, die über die Funktion „Kommentare“ veröffentlicht werden, weil diese nicht Gegenstand des Beschwerdeantrags waren. So leicht kann man sich das im Unternehmensalltag leider nicht machen. Schließlich können Inhalte, die ein Nutzer bisher als „Besucher-Beitrag“ posten konnte, weiterhin als „Kommentare“ unter bereits vorhandenen Beiträgen veröffentlicht werden. Oder eben im Rahmen einer – in der Regel ebenfalls nicht deaktivierbaren – Unternehmens-„Bewertung“, von denen die neuesten auf der Startseite des Unternehmens sogar noch vor den Beiträgen inkl. Kommentaren angezeigt werden und ältere über einen Link einsehbar sind. Was gilt in diesen Fällen? Gilt das Mitbestimmungsrecht auch hier?

Wollte man die Ausführungen des BAG nun dahingehend erweitern, dass auch diese zwingend vorgegebenen und nicht deaktivierbaren Funktionen eine Mitarbeiterüberwachung ermöglichen und damit ein Mitbestimmungsrecht begründen, führte dies faktisch dazu, dass bereits die Einrichtung und der Betrieb der Facebook-Seite „an sich“ mitbestimmungspflichtig würden, da sich diese Funktionen ja gerade nicht abschalten lassen. Das hat das BAG jedoch ausdrücklich verneint. Geht es also nur um die Funktionen, auf die der Betreiber der Unternehmensseite Einfluss hat („Besucher-Beiträge“), verlagert sich der von den „Besucher-Beiträgen“ ausgehende „ständige Überwachungsdruck“ nun auf die „Kommentar“- und „Bewertungs“- Funktionen. Da hierfür aber gerade kein Mitbestimmungsrecht besteht, muss die Frage gestellt werden, ob dem Arbeitnehmer durch die Annahme eines solchen bei der Funktion „Besucher-Beiträge“ wirklich geholfen wird?

Die zweite Frage, die sich hieran anschließt, lautet: Ist eine Hilfe hier überhaupt vonnöten? Schließlich stehen die betroffenen Arbeitnehmer ja nicht schutzlos da. Unabhängig des Bestehens eines Betriebsrats und dessen Mitbestimmungsrechten können sich aus einer Verletzung der Persönlichkeitsrechte für den betroffenen Arbeitnehmer nämlich eigene und über §§ 823, 1004 BGB durchsetzbare Unterlassungsansprüche ergeben. Gewiss wäre es für den Arbeitnehmer günstiger, würde der Betriebsrat derartige Persönlichkeitsverletzungen über sein Mitbestimmungsrecht bereits im Vorwege verhindern, indem er bei der Seitengestaltung mitwirkt. Kann er das jedoch – wie im Fall Facebook – nicht umfassend tun, ist der Arbeitnehmer am Ende ohnehin auf die Durchsetzung eigener Rechte angewiesen. Jedenfalls für den hier entschiedenen Facebook-Sachverhalt überzeugt der BAG-Beschluss daher nicht.

Was heißt das nun für Arbeitgeber?

Ob nun sinnvoll oder nicht: Arbeitgeber sollten sich nach dem Beschluss richten. Schaffen sie also die Möglichkeit, dass arbeitnehmerbezogene Aussagen zu deren Leistung oder Verhalten veröffentlicht, gespeichert und ausgewertet werden können, so unterhalten sie ein technisches und zur Überwachung geeignetes Mittel, dessen rechtmäßiger Einsatz vom Mitspracherecht des Betriebsrats abhängt. Es muss sich also mit diesem über den Einsatz geeinigt werden. Für den Fall einer Unternehmensseite bei Facebook heißt das, dass zwar ein Mitbestimmungsrecht im Hinblick auf die Aktivierung der Funktion „Besucher-Beiträge“ besteht, nicht jedoch im Hinblick auf den Betrieb der Unternehmensseite „an sich“ und die zwingend vorgegebenen Funktionen, auf deren Vorhandensein der Betreiber der Unternehmensseite keinen Einfluss hat.

Fazit

Die Ausgangslage ist klar: Will der Arbeitgeber ein technisches Mittel zur Mitarbeiterüberwachung einsetzen, besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Wird der Betriebsrat nicht einbezogen, können sich hieraus Unterlassungsansprüche ergeben, die auf eine Unterbindung des Einsatzes gerichtet sind. Dass die Frage, ob auch im Falle des Betreibens einer Facebook-Seite ein Mitbestimmungsrecht besteht, nicht so leicht zu beantworten ist, haben sowohl der Rechtsweg als auch die Entscheidungsgründe des BAG verdeutlicht. Auch, wenn diese zu mehr Verunsicherung als Klarheit führen, sollten Unternehmen ihre Pozesse hieran ausrichten. Das heißt konkret: Eröffnen Arbeitgeber den Internetnutzern eine Möglichkeit zur Veröffentlichung leistungs- und/oder verhaltensbezogener Aussagen über Arbeitnehmer, werden diese gespeichert und eine Auswertung durch den Arbeitgeber ermöglicht, so handelt es sich dabei um ein technisches und zur Mitarbeiterüberwachung „bestimmtes“ Mittel, dessen rechtmäßiger Einsatz vom Mitspracherecht des Betriebsrats abhängt. Was in der Theorie plausibel erscheinen mag, dürfte im Falle des Betreibens einer Facebook-Seite lediglich zu einer Problemverlagerung führen. Obwohl das BAG hier die Rechte des Betriebsrats stärken wollte, wird den Beteiligten damit nicht wirklich geholfen. Denn auch auf der hier in Rede stehenden Facebook-Seite können weiterhin – mit Ausnahme von Besucher-Beiträgen – munter Kommentare und Bewertungen durch Besucher abgegeben werden. Doch lässt sich dem Ganzen auch etwas Gutes abgewinnen. Über den Beschluss des BAG und das mediale Echo wurde erfreulicherweise der gedankliche Weg zu einem weitaus wichtigeren Thema bereitet: Der lebensrettenden Blutspende.

In diesem Sinne,

es wird schon bald irgendwann, hoffentlich revidierende Entscheidungen des BAG geben.

*Der Artikel ist unter Mitarbeit von Christian Frerix entstanden. Der Jurist promoviert derzeit an der Universität Hamburg, war bis Mitte November 2017 bei uns als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig und wird im Februar 2018 seinen juristischen Vorbereitungsdienst aka das Referendariat antreten.

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Nina Diercks (M.Litt, University of Aberdeen) arbeitet seit 2010 als Rechtsanwältin. Sie führt die Anwaltskanzlei Diercks in Hamburg. Die Anwältin berät und vertritt Unternehmen bundesweit, ist jedoch ausschließlich im IT-| Medien-| Datenschutz und Arbeitsrecht tätig. Daneben steht die Nina Diercks gern und oft als Referentin auf der Bühne sowie als Interviewpartnerin und Gastautorin zur Verfügung. Dazu hat sie im Jahr 2010 diesen Blog (früher: Social Media Recht Blog) ins Leben gerufen. Mehr

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