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Zurechnung

Die Berliner Aufsichtsbehörde ist vom Landgericht Berlin für ihren Bußgeldbescheid gegen die Deutsche Wohnen SE deutlich abgewatscht worden und die inhaltlichen Fragen zur Datenverarbeitung der Deutsche Wohnen sind ungeklärt, der Bußgeldbescheid perdu. Was ist passiert?

Im November 2019 war die Aufregung groß, als die Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit mitteilte, ein Bußgeld über 14,5 Mio gegen die Deutsche Wohnen SE verhängt zu haben. Auch wir hier im Blog haben uns mit dem Thema auf Basis dessen befasst, was sich dieser Pressemitteilung entnehmen ließ. Dabei ging es um die Frage, ob die Behörde die Datenverarbeitung der Deutsche Wohnen SE zu recht beanstandet hat oder nicht. Da das Unternehmen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt hat, musste eine Strafkammer des LG Berlins entscheiden.

Mit Beschluss vom 18.02.2021 hat das Gericht das Verfahren nun einfach eingestellt, die behaupteten Rechtsverstöße gar nicht erst gesprüft und die juristische Welt nahm an, dass das Landgericht der Ansicht sei, ein Bußgeldbescheid wegen Verstößen gegen die DSGVO sei gegenüber einem Unternehmen so nicht möglich. Dann könnten Bußgeldbescheide nur gegen Organe der Unternehmen verhängt werden. (Aber halt, Bußgelder gegen Unternehmen sind trotzdem möglich, bitte nicht zu früh freuen).

Heute wurde – zunächst nur in kostenpflichtigen juristischen Datenbanken – der Beschluss des Landgerichts Berlin (Az. 526 OWi LG) 212 Js-OWi 1/20 (1/20))  nun veröffentlicht und brachte eine große Überraschung mit sich. Ja, das LG Berlin ist in der Tat der Auffassung, dass ein Bußgeldbescheid nicht gegen eine juristsche Person verhängt werden könne, aber das war nicht die Überraschung.

Überraschend war, dass das Landgericht ganz deutlich ausführte, dass der Bußgeldbescheid unter derart gravierenden Mängeln leidet, dass er nicht Grundlage eines Verfahrens sein kann. Das ist peinlich für die Behörde, die die – lange bekannte – Thematik von Bußgeldern gegenüber juristischen Personen offenbar übersehen hat und beleidigt mit einer Pressemitteilung reagiert hat. Ausführlich und schön hat sich der Kollege Stephan Hansen-Oest auf seiner Seite über die Berliner Aufsichtsbehörde und ihr Verhalten nach der Entscheidung geärgert.

Ob die datenschutzrechtlichen Vorwürfe gegen die Deutsche Wohnen, die wir seinerzeit besprochen haben, zutreffend waren, wird vielleicht nie geklärt werden. Allerdings hat die hierfür zuständige Staatsanwaltschaft Berlin gegen den Beschluss des LG Berlin sofortige Beschwerde eingelegt. Nun wird sich das Kammergericht Berlin zumindest mit der Frage befassen, ob eine juristische Person Betroffene in einem Bußgeldverfahren sein kann. In Österreich hat der Verwaltungsgerichtshof, vergleichbar mit dem deutschen Bundesverwaltungsgericht, im Sommer 2020 zu Voraussetzungen der Bußgeldverhängung gegen juristische Personen, insbesondere also Unternehmen, Stellung bezogen, was im Rechtsüberblick 02/20 hier besprochen wurde. Auch der österreichische Verwaltungsgerichtshoft war, wie das LG Berlin, der Ansicht, dass keine direkte Zurechnung von Verstößen gegen die DSGVO gegenüber einer juristischen Person möglich sei, sondern man andere Wege gehen müsse. Demgegenüber hat das LG Bonn im November 2020 bestätigt, dass gegen 1&1 ein Bußgeld direkt aus Art. 83 DSGVO verhängt werden durfte.

Bevor aber nun die Sektkorken knallen noch einmal der Hinweis: Doch, es ist durchaus möglich, ein Bußgeld gegen ein Unternehmen zu verhängen und ja, auch nach Ansicht des LG Berlin. Die Frage ist: wie.

Der juristische Streit geht darum, ob § 30 OWiG, das Bußgelder für Unternehmen nur unter engen Voraussetzungen vorsieht, anzuwenden ist oder ob aus Art. 83 DSGVO direkt unter Anwendung der supranationalen Kartellrechtsgrundsätze gegen Unternehmen Bußgelder verhängt werden können. Klingt kompliziert, ist es auch – aber auch unglaublich spannend. Vielleicht legt das Kammergericht Berlin die Frage dem EuGH zur Entscheidung vor und wir werden bald mehr wissen.

Es ist August 2020. Die Anwaltskanzlei Diercks ist mit allen Mitarbeitern gut in den neuen Räumen angekommen. Aber auch wenn die Arbeit von allen Seiten ruft- was an den leeren Seiten hier wohl zu erkennen ist -, ist es doch wirklich Zeit, sich endlich mal wieder dem Blog und vor allem der ins Leben gerufenen Reihe „Rechtsüberblick“ zu widmen. So viele sind es dieses Jahr zwar noch nicht gewesen, aber so lange ist kann es ja auch nocht nicht her sein. … Ouch! Doch! Der letzte Rechtsüberblick ist auf den 28. Februar datiert. Oh je! Also bat ich Tobias Hinderks doch einmal nach den Schönsten Perlen der letzten Monate zu tauchen. Et voilà! Hier ist er, der Rechtsüberblick, den wir maßgeblich der Recherche- und Schreibkunst von Tobias zu verdanken haben:

Liebe Leserinnen und Leser,

es gibt Momente, da wundert man sich, dass schon wieder ein Monat vergangen ist und  schon wieder ein Rechtsüberblick angefertigt werden will. Dann merkt man im August bestürzt, dass der letzte Rechtsüberblick auf den 28. Februar datiert ist… Und streicht das „monatlich“ reuend aus den Gedanken. Nichtsdestoweniger wollen wir nicht auf ihn verzichten und deshalb kann ich Sie heute einladen, einen Blick auf den Rechtsüberblick 02/20 zu werfen.

Heute beschäftigen wir uns mit diesen Themen:

  1. BlnBfDI versus Microsoft: Dürfen Behörden Produktwarnungen aussprechen?
  2. Präsident Trumps Executive Order nach Faktencheck auf Twitter
  3. Österreichischer Verwaltungsgerichtshof begrenzt Zurechenbarkeit von Datenschutzverstößen
  4. BMJV stellt Gesetzesvorhaben zu Unternehmenssanktionsrecht vor
  5. BGH entscheidet in Sachen Planet 49

Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen!Den ganzen Artikel lesen.

Diercks Digital Recht

 

Nina Diercks (M.Litt, University of Aberdeen) arbeitet seit 2010 als Rechtsanwältin. Sie führt die Anwaltskanzlei Diercks in Hamburg. Die Anwältin berät und vertritt Unternehmen bundesweit, ist jedoch ausschließlich im IT-| Medien-| Datenschutz und Arbeitsrecht tätig. Daneben steht die Nina Diercks gern und oft als Referentin auf der Bühne sowie als Interviewpartnerin und Gastautorin zur Verfügung. Dazu hat sie im Jahr 2010 diesen Blog (früher: Social Media Recht Blog) ins Leben gerufen. Mehr

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