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Datenübermittlung

Tja. Man könnte sich fragen, ob sich die ganze Diskussion um Datenübermittlung in unsichere Rechtsstaat, womit in der Regel die USA gemeint sind, mit der Zeichnung der Exekutive Order von Joe Biden und dem wohl kommenden neuen Angemessenheitsbeschluss der EU-Kommission für Datenübermittlung in die USA erledigt hat.

Was? Das ging Ihnen zu schnell? Ok. Fangen wir noch mal – in aller Kürze von vorne an.

Schrems II, SVK, die Datenschutzbehörden und der risikobasierte Ansatz der DSGVO

Im Jahr 2020 erging die sogenannte Schrems-II-Entscheidung des EuGH. Mit diesem Urteil erklärte der EuGH den Angemessenheitsbeschluss »Privacy Shield« der EU-Kommission (EUKOM) i.S.d. Art. 45 DSGVO für ungültig. Damit entfiel die bis dato bestehende Rechtsgrundlage nach Art. 45 DSGVO für Datenübertragungen in die USA. Zeitgleich urteilte der EuGH über die Verwendung von sogenannten Standardvertragsklauseln (SVK) nach Art. 46 Abs. 2 c) DSGVO, die eine weitere Rechtsgrundlage zur Datenübertragung in unsichere Drittstaaten darstellen und konstatierte, dass der verantwortliche Datenexporteur in jedem Einzelfall prüfen müsse, ob das Recht des Drittlandes nach Maßgabe des EU-Rechts einen angemessenen Schutz gewährleistet. Der EuGH bezweifelte, dass die USA einen angemessenen Schutz nach Maßgabe des EU-Rechts bieten könnten.

Im Juni 2021 wurden neue Standardvertragsklauseln veröffentlich, die mit den Klauseln 14 a), b) eine solche transferspezifische und risikoorientierte Abwägung bei der Datenübermittlung vorsahen. Demnach ist unter anderem zu prüfen, welche Art von Daten übermittelt wurden, welchen Zweck die Verarbeitung hat, den Wirtschaftszweig, in dem die Übertragung erfolgt sowie die technisch und organisatorischen Maßnahmen, die bei der Verarbeitung ergriffen werden.

Der europäische Datenschutzausschuss (EDSA) negierte allerdings – ebenso wie die DSK, die Deutsche Datenschutzkonferenz – dass der risikobasierte Ansatz der DSGVO auch im Rahmen von Drittstaatentransfers zu berücksichtigen sei. Die europäischen Datenschutzbehörden vertraten die Ansicht, dass es nicht darauf ankäme, ob es sich bei den übermittelten personenbezogenen Daten um statistische Trackingdaten oder um hochsensible Gesundheitsdaten handelte und/oder wie hoch die Eintrittswahrscheinlichkeit von Risikoverwirklichungen wäre. Es sei nur zu prüfen, ob das Recht des importierenden Staat ein „angemessenes“ Schutzniveau böte.

Der geschätzte Kollege Heiko Roth und ich hielten und halten diese Auffassung schon deswegen für falsch, weil sie nicht mit der Dogmatik der DSGVO selbst in Einklang zu bringen ist. In unserem Aufsatz „Datenübermittlung in unsichere Rechtsstaaten“, ZdiW 08/2021, 313 setzen wir uns deswegen intensiv mit dem Prinzip des risikobasierten Ansatzes der DSGVO, dem Schrems -II-Urteil und eben der Datenübermittlung in unsichere Drittstaaten auf Basis der SVK nach Art. 46 Abs. 2 c) DSGVO auseinander. Wir kommen – sehr verkürzt – zu dem Ergebnis, dass die Datenübermittlung in unsichere Rechtsstaaten auch dann zulässig sein kann, wenn das Recht des Drittstaates gegebenfalls nicht in Gänze der Vorstellung der EuGH entspricht, aber das Risiko nach einer Risikoabwägung vertretbar ist. Alle Einzelheiten sind in unserem Aufsatz nachzulesen:

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Mitautoren: Tobias Hinderks*, Nina Diercks*

2020/2021. Die ganze EU diskutierte, wie nach dem EuGH Urteil C-311/18 (Schrems II) noch legal personenbezogene Daten in die USA übermittelt werden können. Die ganze EU? Nein, eine (kleine) Staatskanzlei in Düsseldorf sieht in einer Übertragung überhaupt kein Problem.

Ok, ein wenig Kontext? Die Landesregierung NRW hat eine kleine Anfrage der Grünen-Fraktion im Landtag NRW beantwortet, die sich um den Einsatz eines von Amazon Web Services gehosteten Messengers für Schüler*innen dreht. Die Grünen hatten unter anderem gefragt, ob die Landesregierung bei der Umsetzung auch Subunternehmen in Betracht gezogen hat, die nicht dem US CLOUD Act unterliegen. Hierauf antwortete die Landesregierung:

„Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass der CLOUD Act nur dann einen Zugriff auf Daten zulässt, wenn eine rechtmäßige Verfügung einer amerikanischen Ermittlungsbehörde oder eines amerikanischen Gerichts vorausgegangen ist. Insofern unterscheidet sich die Rechtslage nicht von der Rechtslage in anderen Staaten, einschließlich Deutschlands.

[…]

Aber selbst bei einer theoretischen Herausgabe der Daten durch [Amazon Web Services] an amerikanische Ermittlungsbehörde wäre der übermittelte Datensatz aufgrund der durch den Dienstleister SVA eingerichteten Verschlüsselung nach sehr hohem Industriestandard von in der Cloud abgelegten Daten für amerikanische Behörden nicht verwertbar.“ (Drs. 17/11271, S. 3)

Das ist ein interessantes Statement der Regierung des bevölkerungsreichsten Bundeslandes. Inhaltlich dazu später. Für uns soll es zunächst der Aufhänger sein, uns mit der Zeit nach Schrems II zu befassen.

  • Wo ist eigentlich das Problem mit der Datenübertragung in die USA?
  • Was sagt denn die US-Regierung zum Urteil?
  • Was haben die Aufsichtsbehörden zu Schrems II veröffentlicht?
  • Wie könnten Lösungen aussehen? Gibt es überhaupt Lösungen?

Fragen über Fragen und die dringende Suche nach einer Antwort.

An dieser Stelle müssen wir kurz durchatmen. Denn auf uns kommt viel Arbeit zu. Die Übermittlung von Daten in die USA war bereits vor Schrems II sehr intensiv diskutiert worden. Und nach der tiefgreifenden Änderung durch Schrems II ist man sich eigentlich nur noch in einem sicher: Es ist kompliziert.

Um ein verständliches Bild zu schaffen und dieses facettenreiche Thema abzuhandeln, braucht es mehr als einen Blog-Artikel. Deshalb ist dieser Blog-Beitrag der Beginn einer kleineren Serie rund um das Thema: Reaktionen auf Schrems II – Rechtslage im transatlantischen Datenverkehr, bestehend aus vier Beiträgen.

Wir beginnen mit Teil 1: Was hat der EuGH entschieden und wie beurteilen die USA die Auswirkungen. In Teil 2 sehen wir uns an, wie Datentransfer auf Basis von geeigneter Garantien gelingen könnten. Dabei setzen wir uns mit dem Schutzniveau und den Ansichten der Aufsichtsbehörden auseinander. Teil 3 wird sich um den CLOUD Act drehen und in Teil 4 nutzen wir die gewonnen Erkenntnisse um uns ein eigenes Bild der Ausführungen des EuGH zu machen  (Spoiler: Man muss nicht in allem einer Meinung mit dem EuGH sein) und ziehen ein Fazit zum Thema Datenübermittlungen in die USA.

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Der EuGH hat das Privacy Shield für ungültig erklärt! Gut, das kam nicht überraschend. Interessanter sind daher die Ausführungen zu den Standardvertragsklauseln. Diese sind grundsätzlich abstrakt wirksam, es ist aber im Einzelfall zu prüfen, ob die konkrete Übermittlung von personenbezogenen Daten in ein bestimmtes Drittland damit gerechtfertigt werden kann (Urteil des EuGH vom 16.07.2020, C-311/18, Schrems II).

Aha. Ist das wichtig?

Ja! Die Entscheidung schafft Klarheit im Bezug auf den Transfer von personenbezogen Daten in ein Drittland (alles außerhalb des EWR, also außerhalb von EU, Norwegen, Island und Liechtenstein). Reine Absichtsbekundungen dahingehend, personenbezogene Daten schützen zu wollen, reichen nicht aus, daher wurde das Privacy Shield gekippt. Aber auch ein „Weiter so“ mit den Standarddatenschutzklauseln wird es nicht geben.

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Wer den Newsletter dieses Blogs abonniert hat oder mir auf Twitter oder LinkedIn folgt, der weiß, dass sich am vergangenen Freitag auf Initiative von Peter Hense und Johannes Nehlsen nicht nur das #TeamDatenschutz zum 1. virtuellen Stammtisch traf, sondern ich dort auch mit einem Beitrag zur „Datenübermittlung im Konzern“ vertreten war. Ehrlich gesagt, gingen wir von einem familiären, nerdigen Treffen mit 20, maximal 40 TeilnehmerInnen, aus und waren in Folge dessen von den mehr als 150 FachteilnehmerInnen wirklich überrascht. Ebenso groß war natürlich die Freude, dass das Format so gut ankam.  Oder wie Peter es auf Twitter ausdrückte „Es braucht offenbar keine EUR 1000/Tag-Veranstaltung, um mit Kollegen zu plaudern.„. Es steht auch schon fest, es wird eine Wiederholung geben. Mit anderen Themen und anderen ReferentInnen. (Wer Interesse hat: Einfach Johannes Nehlsen auf Twitter folgen!)

Doch nun weg vom famosen Stammtisch (dennoch: Danke nochmal, Johannes, für Deine Orga!) hin zu meinem Beitrag und dem oben stehenden Titel: „Datenübermittlung  im Konzern“. Auf das Thema kam ich,  da ich schon seit Ewigkeiten einen recht umfangreichen Aufsatz dazu in der Schublade liegen habe. So umfangreich, dass er für eine Zeitschrift zu lang ist. Leider auch zu kurz, um ein Büchlein draus werden zu lassen. Und natürlich wäre es möglich zu kürzen oder das Ganze noch weiter aufzubohren. Aber woher all die Zeit nehmen und nicht stehlen? Und dann die Absprachen mit den Verlagen. Kürzer? Welcher Fokus? Länger? Wohin denn bitte? Und ach ja, da sind wir wieder beim Problem der nicht vorhandenen Zeit. Und so nahm ich den virtuellen Stammtisch als Anlass, meine Gedanken dort einmal in die Runde zu schicken. Unvorsichtigerweise fragte ich danach, ob Interesse bestünde, das Ganze noch einmal ausführlicher in Form eines Aufsatzes nachlesen zu können, den ich einfach zur Diskussion auf den Blog stellen könne. Die Antwort lautete „Ja!“.

Und da habe ich nun an diesem Sonntag den Salat. Natürlich dauert die „kurze“ Überarbeitung für die Online-Stellung schon den ganzen Nachmittag und ich fürchte, ich habe einen Sonnenbrand auf der Stirn (was tue ich nicht alles für den Datenschutz!1!11).  Aber hier ist er nun, frisch gedruckt, äh, in das Internet gestellt:

Datenübermittlung im Konzern

Rechtsgrundlagen und formelle Anforderungen

Oder auch: Existiert ein Konzernprivileg und sind Intercompany-Verträge eine Lösung?

 

Ja, der Aufsatz hat nun keine rechtswissenschaftliche Redaktion durchlaufen. Aber wir machen das jetzt einfach wie die Virologen. Der Aufsatz wird online gestellt und muss sich dem kritischen Auge der fachlich versierten LeserInnen stellen. Ich freue mich auf Kritik, Ergänzungen oder am besten vollständige Erwiderungen an anderer Stelle. Und ja, natürlich noch mehr über Zustimmungen. 😉 (Und wer weiß, vielleicht sind wir 2020 ja auch so weit, dass Gedankengänge, die nicht zuerst auf Papier gedruckt wurden, einmal Eingang in die klassischen Literaturempfehlungen finden. Die Hoffnung stirbt bekanntermaßen zuletzt…)

Der Aufsatz hat nun natürlich auch kein Lektorat gesehen. Ich bitte also, sämtliche Typos etc. zu verzeihen. Wenn ich dazu kommen sollte, stelle ich vielleicht die Tage auch noch mal eine korrigierte Fassung bereit.

Nun wünsche ich erst einmal viel Spaß beim Lesen!

Last but not least, an meine interessierten Laien-Leser: Es handelt sich wirklich um einen juristischen Aufsatz. Sie können den gerne lesen. Aber suchen Sie nicht die gleiche Verständlichkeit wie sonst im Blog. Vielleicht machen wir auch noch mal eine Blog-Fassung daraus, versprechen möchte ich an dieser Stelle aber nichts.

In diesem Sinne,

so oder so, auf bald!

 

 

Diercks Digital Recht

 

Nina Diercks (M.Litt, University of Aberdeen) arbeitet seit 2010 als Rechtsanwältin. Sie führt die Anwaltskanzlei Diercks in Hamburg. Die Anwältin berät und vertritt Unternehmen bundesweit, ist jedoch ausschließlich im IT-| Medien-| Datenschutz und Arbeitsrecht tätig. Daneben steht die Nina Diercks gern und oft als Referentin auf der Bühne sowie als Interviewpartnerin und Gastautorin zur Verfügung. Dazu hat sie im Jahr 2010 diesen Blog (früher: Social Media Recht Blog) ins Leben gerufen. Mehr

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